Zwischen FOMO und Fake News – ein Ausweg

Believe the Hype – Frides Medien und Zeitgeist Kolumne

Wie sich FOMO und Fake News die Hand reichen

Krieg. Taliban. Pandemie. Non Fictional Token. Neue Hipster Bar in Neu-Kölln. Charlotte Tilbury Flawless Filter.

Bloß nichts versäumen! Deshalb mehrmals täglich ausschweifend die digitalen Netzwerke und diverse Internet-Plattformen checken.

„Fear of missing out“ – kurz FOMO –  ist die Angst etwas zu verpassen. Das Phänomen kann sich auf alle Bereiche des Lebens beziehen, wird aber meist im Zusammenhang mit übermäßiger Social Media und Online-News-Nutzung verwendet. Dabei geht es nicht nur um die letzten Instagram Party Stories vom Crush oder wer sich wo gerade am Strand räkelt. Gerade im politisch-gesellschaftlichen Bereich immer auf der Höhe des Tagesgeschehens zu sein, scheint für viele unabdingbar.

„Bei FOMO geht es nicht nur um die letzten Instagram Party Stories vom Crush oder wer sich wo gerade am Strand räkelt.“

Heißt es nicht: Je mehr man sich zu einem bestimmten Thema informiert, desto sachkundiger wird man darin? Also dementsprechend medial noch mehr auskundschaften – bis man sich wie ein selfmade Universal-Experte fühlt, der überall mit Wissen und Trendgeist glänzt.

…Oder man kriegt einfach nur ne Macke.

Denn die Folgen von FOMO sind – neben der Panik nicht auf dem neuesten Stand von allem zu sein – Schlafstörungen, Selbstzweifel bis hin zu depressiven Verstimmungen. Und: Darüber hinaus steigt die Chance Fake News zu rezipieren exponentiell mit steigender Informationsflut.

Der Kollege postet ein Video, dass in Rumänien alle Impfzentren geschlossen wurden nach einer Großdemo der Bevölkerung. Auf Twitter, Facebook & Co. teilen User einen Bildvergleich, der ein voll besetztes Flugzeug der USA und ein leeres Flugzeug von Deutschland bei der Evakuierung in Afghanistan gegenüberstellt. So mancher ist so empört, dass er solche „News“ gleich selbst weiter teilt.

(Kurzer Tatsachencheck: Das Video aus Rumänien bezieht sich auf eine Demonstration aus dem Jahr 2017 und einige Impfzentren wurden 2021 – wie auch hier – nur wegen gesunkener Nachfrage geschlossen. Das Flugzeugbild von Deutschland entstand 2017 bei einem Flug des Verteidigungsministeriums nach Litauen.)

Und ja, auf Fake News hereinfallen, passiert sogar erstaunlich vielen Menschen, die man nicht in die Kategorie „Knalltüte“ einsortieren würde.

Warum Digital Detox kein Ausweg ist

Es gibt diverse Empfehlungen, wie man sich gegen FOMO und Fake News wappnen kann. Einige sind sinnvoll. Andere halte ich – obwohl zahlreich empfohlen – für nicht zweckdienlich.

Dazu gehört für mich „Digital Detox“-  der temporär komplette Verzicht digitaler Medien. Versprochen wird durch den Entzug Stressreduktion und den Blick weg von Handy und wieder ins reale Leben zu lenken.

Klingt ja super! (Augen roll)

Klar, ein Urlaub von Smartphone und Internet schadet nicht. Aber was nützt es, wenn man nach der Pause kurze Zeit später wie gehabt weiter surft?

Richtig. Nüscht.

Ich kenne einige überragend intelligente Menschen, die auch ohne soziale Medien und stundenlangem Internetrausch politisch und gesellschaftlich sehr informiert sind.

„Statt Digital Detox dann vielleicht gleich Digital Exit?“

Statt Digital Detox dann vielleicht gleich Digital Exit. Oder einen anderen Weg finden. Für mich als Digital-Schaffende wäre ein Ausstieg z.B. kontraproduktiv. Weshalb ich mir irgendwann eine eigene Eselsbrücke – namens QARK – ausgedacht habe. So versuche ich mich bei meinen Digitalkonsum an folgende vier Stichwörter zu halten.

QARK-Prinzip by Fride: Quelle. Auswahl. Reflexion. Kommunikation.

Alle Vier bedingen sich gegenseitig.

1. Quelle

Der vielzitierte Ratschlag „Prüfe deine Quellen“ ist vollkommen richtig. Leider sind Soziale Medien und Online-Portale so konzipiert, dass man möglichst lange Zeit auf der jeweiligen App oder Seite verweilen soll. Ermöglicht durch kurze, schnelle und viele aneinandergereihte Formate. Mal ehrlich: Wer prüft JEDE EINZELNE Story oder Beitrag indem er die Plattform verlässt und ausführliche Quellenrecherche betreibt? Und wer wischt einfach weiter. (Oder teilt im schlimmsten Fall gleich.) Allerdings kann man selbst auf Social Media für den Kurzcheck darauf achten:

– Keine Quellenangabe = durchgefallen

– Ist die Quellenangabe von einem renommierten Medium/Institut/Ministerium etc.

– Sind die Bilder/Videos der Quelle wirklich aktuell oder nehmen sie in etwa auf etwas in der Vergangenheit Bezug

– Und – WER hat diese Quelle verbreitet. Was zum 2. Stichpunkt führt:

2. Auswahl deiner Accounts

 Auswahl der News-Accounts: Wenige & sachlich Ausgerichtete.

Mag sein, du folgst dem cleversten Subjekt in deinem Umfeld oder einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die du für äußerst kompetent hältst. Ich habe es oft genug erlebt, dass auch diese Menschen unreflektiert einfach Inhalte geteilt haben ohne den Wahrheitsgehalt zu prüfen – oder noch wichtiger: erst einmal abzuwarten bis sich dieser bestätigt oder widerlegt.

Gerade was Politik und Wissenschaft betrifft, halte dich eher an etablierte Medienformate (z.B. ZDF heute). Diese sind ebenfalls mit eigenen Accounts auf Social Media vertreten. Auch diesen Nachrichtenquellen passieren natürlich Fauxpas. Und man sollte auch dort nicht jeder Expertenmeinung Glauben schenken. Dennoch reduziert man die Fake News-Rate enorm.

3. Reflexion

Je mehr Informationen man konsumiert, desto weniger Zeit hat man dafür diese zu reflektieren. Und sich selbst. Man entscheidet aber eigenständig wie man mit gewonnenen Informationen umgeht. Und wie man diese für sich einordnet. Einfach mal einen Schritt zurücktreten und Konsumiertes von der Sachebene betrachten. Objektiv und nicht emotional. Das hilft zudem sich nicht in etwas rein zu steigern.

4. Kommunikation

Eigentlich für mich der wichtigste Punkt was News betrifft. Die Art der Kommunikation. Eine Nachricht an sich kommt ohne verstärkende und zuschreibende Wortwahl aus. Da ist niemand ein „Held“, „Monster“, „überheblich“, „wohlbehütet“ etc. Wird so kommuniziert, handelt es sich um eine Meinung oder Einschätzung einer Person. Natürlich: Genannte Beiträge können ebenso bilden (meine Kolumne ist schließlich auch ein Mix aus Info und Meinung). Man sollte Meinung nur halt nicht mit Nachrichten verwechseln. Und: Selbst eine Expertenmeinung ist nur EINE Meinung. Wo wir wieder zu „Reflexion“ und „Auswahl der Accounts“ kommen.

Soviel zu QARK gegen FOMO und Fake News.

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Abschließend noch Fride-Tipps, wie man weniger Zeit zur Wissensbildung am Handy verbringt und dennoch up-to-date bleibt.

Account-Empfehlungen der populärsten Social-Media-Plattformen

Instagram: tagesschau

Hat Reels den klassischen Feed immer mehr verdrängt, lohnen sich hier noch die Kurznachrichten-Bildbeiträge für den täglichen Überblick.

LinkedIn: Frank Sieren

Der China-Experte gibt zahlreiche Informationen zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus dem Reich der Mitte. Interessant, weil Frank Sieren einen anschaulich und lehrreich die chinesische Perspektive näherbringt.

TikTok: Factsforfriends

Checken virale Nachrichten auf Wahrheitsgehalt und entlarven Fake News. Kurz und bündig erklärt. #erzählmirkeinemärchen

YouTube: MrWissen2Go

Mirko Drotschmann pimpt das Allgemeinwissen. Oft mit Bezug auf aktuelles Weltgeschehen. Pluspunkt: Bei Einschätzungen und Ausblicken zu bestimmten Themen wird klar als #mirkosmeinung deklariert.

Spotify: FOMO

Der Name ist natürlich ein Schenkelklopfer. In unter 10 Minuten kann man sich hier aber täglich auf den neuesten Stand von Politik bis Popkultur bringen. Zielgruppe U30.

Klassischer Rundfunk: NDR Info Radio (MDR Info, RBB Info etc.)

Läuft bei mir auf Autofahrten zur Arbeit. Umfassende Berichte von Australien bis Zugverkehr.

Aktuelles: Live Blog Ukraine

Hier auf dem pinken Button LIVE BLOG klicken. Wenn ein Wunder geschieht ist dieser Live Blog nicht mehr da, wenn dieser Artikel online geht. Ansonsten ist der News Blog der Tagesschau gerade meine Informationsquelle, um mich wegen der Lage in der Ukraine und Europa täglich zu informieren. Hier finden sich gesammelt die aktuellsten Nachrichten.

Ansonsten gilt trotz der Digitalisierung immer noch: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Und mit dieser Gewissheit lässt es sich auch leben.

Die neuste Instagram Challenge, tanzende Promis auf TikTok oder Entgleisungen im Trash TV: Frides Blick auf die Medien entgeht nichts und sie bezieht auf charmant-(selbst-)ironische Art Stellung zu jedem Phänomen.

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