Wie ich das erste Jahr als alleinerziehende Mama erfolgreich überlebt habe

Es ist zwei Tage vor Silvester. Während mein Kleiner noch schläft, habe ich mich morgens halb 6 in die Küche unserer Leipziger Wohnung geschlichen, um diesen Text für euch fertig zu schreiben. Später werden wir unseren Koffer packen und dem Trubel der nächsten Tage gemeinsam mit Freunden in einem Wellness-Resort entfliehen. Es ist ein schöner Abschluss für ein ziemlich schwieriges Jahr, das ich nun erschöpft, aber auch ein bisschen stolz hinter mir lasse. 

„Überlebt“ ist das Stichwort. Denn gar nicht selten haben sich die letzten Monate wirklich nach überleben angefühlt.

Annes Kolumne kannst du dir auch von ihr vorlesen lassen.

An vielen Tagen musste ich einfach funktionieren. Das ist frustrierend, aber zugleich bin ich dankbar dafür. Denn man kann es auch so sehen: Immerhin habe ich funktioniert, bin Kind und Arbeit und sonstigen Herausforderungen des Mama-Lebens eigentlich ziemlich gut gerecht geworden – ohne aufzugeben oder mich unterkriegen zu lassen. 

Schon das allein ist ein Erfolg – zumindest laut Statistik. Etwa 40 Prozent der Alleinerziehenden arbeiten in Deutschland nämlich gar nicht. Single-Mums leiden gegenüber verheirateten Müttern doppelt so oft an psychischen Krankheiten, nehmen viel mehr Medikamente und sind besonders häufig von Burnout betroffen. Und kein Wunder: Alleinerziehende und ihre Kids sind in Deutschland am häufigsten von Armut bedroht. 

Auch wenn ich vieles nicht perfekt schaffe – und meine eigenen Bedürfnisse im vergangenen Jahr oft auf der Strecke geblieben sind – gemessen daran geht es uns einfach super gut! Das habe ich zum Teil günstigen Umständen zu verdanken: Ich bin gesund, habe einen Job, der mir viel Flexibilität bietet, und ein Netzwerk von lieben Menschen, das mich unterstützt.

Gleichzeitig arbeite ich seit meiner Trennung vor über einem Jahr vehement daran, ein statistischer Ausreißer zu bleiben.

Was mir konkret geholfen hat, mein erstes Jahr als Alleinerziehende „erfolgreich zu überleben“, möchte ich euch heute einmal berichten. 

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Fotos: Christina Elena Wille

Mein Text ist aus Mami-Sicht und vor allem für Mamis geschrieben. Ich weiß natürlich, dass es auch tolle alleinerziehende Papis gibt, die mit ähnlichen Problemen kämpfen. Bitte fühlt euch ebenfalls angesprochen. 

1. Ich priorisiere mein Kind.

„Du kannst alle Probleme leichter lösen, wenn du einen kühlen Kopf bewahrst“ – wie oft sage ich das meinem aufstampfenden 4-Jährigen, wenn etwas nicht klappt. „Was möchtest du genau und wie kommst du am besten dorthin?“

Als frisch getrennte, alleinerziehende Mama stehe ich im Alltag immer wieder vor dieser Frage. Und halte mir dann bewusst vor Augen, was mir langfristig wirklich wichtig ist: Ich priorisiere mein Kind. 

Wenn mein Sohn glücklich ist, gibt mir das eine ganz tiefe Ruhe und Zufriedenheit. Ich wünsche mir, dass er eine schöne, möglichst unbeschwerte Kindheit hat und ein gesunder, freundlicher und starker Erwachsener wird. 

An Tagen, an denen die Welt – gefühlt – über mir zusammenbricht, ist mein Kind mein Licht. 

Den Kleinen zu priorisieren, heißt für mich aber nicht, mich nur auf ihn zu fokussieren. Es bedeutet, morgens früh aufzustehen, fleißig zu sein, Beziehungen zu pflegen, ein Nest zu bauen und mich letztendlich auch um mich selbst zu kümmern, damit ich als Mama Vorbild bin.  

2. Ich habe mir meine Unabhängigkeit bewahrt. 

Ich glaube, wir kennen alle Menschen, die in schrecklichen, lieblosen Beziehungen bleiben, weil sie sich abhängig fühlen und die Trennung allein aus finanziellen Gründen quasi unmöglich erscheint. 

Auch für mich war die Entscheidung, zu gehen, mit hohen Kosten verbunden. Nach dem Auszug vom Papa musste ich von einem Monat auf den nächsten zusehen, wie ich für unsere 120 m²- Wohnung allein aufkomme – damals noch komplett ohne Unterhalt. 

Und findet mal als alleinerziehende Mama in einem guten Viertel in Leipzig eine schöne, bezahlbare Dreizimmerwohnung! Long story short: Es war ein Kraftakt, aber es ist uns gelungen. 

Deshalb überlasst das Thema Finanzen bitte nicht den Männern. Investiert vor allem Zeit und Energie in eure Bildung. Hängt euch richtig rein bei euren Jobs. Schafft euch Rücklagen.

So bewahrt ihr euch die Möglichkeit, euch ganz frei für oder gegen einen Partner entscheiden zu können. Alles andere mag auf den ersten Blick romantisch erscheinen. Es ist aber ein hohes Risiko. 

3. Ich nehme Hilfe von Freunden und meiner Familie an.

Eine Trennung mit Kind ist mit so viel Schmerz verbunden. Niemand trifft leichtfertig so eine Entscheidung. Darüber zu sprechen und die Gefühle zuzulassen, hat mir unglaublich geholfen. 

Im letzten Jahr war ich oft traurig. Aber Einsamkeit habe ich kaum gespürt. Unsere Nachmittage verbringen wir bei Spieldates in bunten Leipziger Hinterhöfen. Zum Abendessen sitzen wir oft mit unseren Nachbarn zusammen. Und in den Urlaub fahren wir statt mit Papa einfach mit unseren Freunden.  

Für mich ist das ein großer Segen. Ich bin voller Dankbarkeit für diese Menschen, ihre Zugewandtheit, ihr Verständnis und ihre Nachsicht mit mir. Deshalb pflegt immer schön eure Freundschaften und Beziehungen. Lasst Nähe und Hilfe zu. Allein eurem Kind zuliebe. 

4. Ich habe mir beim Thema Unterhalt Unterstützung von einer Anwältin geholt.  

Ihr wollt alles am liebsten alleine regeln? Glückwunsch, dann geht es euch wie mir. Mit einer Anwältin habe ich selbst erst viel zu spät gesprochen. So sind acht Monate verstrichen, bis ich wenigstens den Mindestunterhalt für mein Kind vom Papa bekam. 

Über 80 Prozent der Trennungskinder leben in Deutschland bei ihren Mamis. Doch nur etwa jedes vierte Kind erhält den ihm zustehenden Mindestunterhalt.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele „Unterhaltspflichtige“ einfach nicht einsehen, dass sie ebenfalls für ihre Kinder verantwortlich sind. 

Und dass es vor allem den Kleinen zugutekommt, wenn sie dem alleinerziehenden Elternteil wenigstens etwas finanziellen Druck von den Schultern nehmen. 

Falls ihr selbst betroffen seid, müsst ihr das wirklich nicht auf euch sitzen lassen. Die Gesetzeslage ist eindeutig. Sofern euer Expartner arbeitet und halbwegs normal verdient, muss er zahlen. Ihr könnt beim Jugendamt dafür kostenlos eine Beistandschaft einrichten lassen. Oder ihr engagiert gleich eine Anwältin, die schnell und unkompliziert dafür sorgt, dass es klappt. 

5. Ich passe mich dem Rhythmus meines Kindes an. 

Kinder stellen unsere Alltagsroutinen einfach komplett auf den Kopf. Vielleicht habt ihr auch die Erfahrung gemacht, dass ihr dagegen in gewisser Weise ankämpft. – Einfach, um ihr selbst zu bleiben und ein paar Gewohnheiten zu bewahren, die euch wichtig sind.

Ich bin zum Beispiel früher oft nochmal aufgestanden, wenn ich den Kleinen zu Bett gebracht hatte und nach einer Stunde Einschlaf-Kuscheln eigentlich hundemüde war. Seit ich Single-Mami bin, habe ich damit aufgehört. Und es tut mir richtig gut. Ich schlafe um 21 Uhr ein und habe morgens Zeit für mich. 

Tagsüber versuche ich, kleine Momente bewusst zu genießen. Die Wärme und Kuscheligkeit, wenn mein Sohn noch süß daliegt und leise schnarcht. Unseren Spaziergang zum Kindergarten. Die entspannten Nachmittage am Sandkasten. In der Badewanne planschen. Das Vorlesen der Gute-Nacht-Geschichte.

Ist das jetzt Care Arbeit oder Quality Time?

Beides, finde ich. Und langsam ahne ich: Die Zeit verfliegt. Der Kleine wird größer. Das Leben ändert sich. In wenigen Jahren werde ich vielleicht gar nicht mehr so wichtig sein. 

6. Ich erschaffe schöne neue Erfahrungen, die die alten überlagern.

„Mama, ich möchte zurück in unser altes Zuhause, in unser altes Leben“, diesen Satz habe ich mehr als einmal von meinem Kind gehört und es schmerzt mich jedes Mal unendlich! Kleiner Mann, falls du diesen Text irgendwann liest: Es tut mir so leid, dass ich dir das nicht geben kann.

Immer wieder erinnere ich mich selbst daran, dass Akzeptanz manchmal die einzige Lösung ist. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich kann den Papa nicht ändern. – Auch wenn ich das noch so gern wollte.

Die Traurigkeit kommt und geht. Die Trennung war richtig. Aber der Papa fehlt manchmal, das ist einfach so.

Ich versuche, das alles zuzulassen. Und uns dann schnell wieder rauszuziehen, um gemeinsam nach vorne zu schauen. 

Am besten klappt das durch Aktivität: Spieldates mit unseren Freunden, Entdeckungstouren in den Wald und natürlich Reisen. Die Zeit zu dritt wird unschärfer und blasser. Die Gegenwart ist farbenfroh und schön. 

7. Ich habe das Thema „neue Beziehung“ erst einmal auf Eis gelegt. 

Ich brauche keinen Partner und komme als Single-Mami gut alleine klar. Das mag hart klingen. Aber genau diese Erfahrung habe ich gebraucht. 

Heute weiß ich: Ja, Single-Mami sein ist kräftezehrend. Eine Trennung mit Kind hat definitiv ihren Preis. Aber es ist eben auch eine ziemlich krasse Selbstwirksamkeitserfahrung.

Alleinerziehende Mamis sind nicht nur arm, traurig und bemitleidenswert. Sie sind vor allem mutig und stark. 

Für die Suche nach einem neuen Partner gibt mir das viel Gelassenheit. Ich weiß, wer ich bin, und dass ich nicht wieder zu der Person werden möchte, die nur für andere da ist, sondern für mich einstehen und etwas erwarten kann. Liebe, Wertschätzung und Respekt. Eine Beziehung auf Augenhöhe. Gegenseitige Unterstützung. Geborgenheit. Wachstum. Und Luft zum Atmen. 

Schöne Bilder und Texte – bei Anne gibt’s beides aus einer Hand. Als freie Redakteurin und Fotografin ist es ihr Job, spannende Themen aufzuspüren und gekonnt in Szene zu setzen. Das größte Projekt von allen wartet indes ungeduldig zuhause auf sie. Seit 2019 ist Anne stolze Mami eines kleinen, süßen Jungen – und das hat ihr Leben ordentlich durcheinander gewirbelt. Auf LAYERS berichtet sie von den Höhen und Tiefen ihres neuen Alltags.

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