Avatare haben keine Akne – Das Metaverse

Believe the Hype – Frides Medien und Zeitgeist Kolumne

Wir schreiben Juni 2022.

Ich sitze mit meinem Handy vorm Esstisch und schwenke es über die Tischplatte. Plötzlich taucht ein Burger vor meinen Augen auf. Lecker angerichtet, dreidimensional, auf einem Teller platziert. Er wirkt erstaunlich echt und ist doch nur eine Simulation. Ermöglicht durch einen Augmented Reality („Erweiterte Realität“) QR-Code, den eine Franchise-Kette für ihre Speisekarten testet.

Schaut man diese und weitere digitale Entwicklungen an, darf man wohl konstatieren: Ein Zeitalter der „Mixed Reality“ steht uns bevor. Gemeint ist damit das Verweben von physischer und virtueller Wirklichkeit.

„Ein Zeitalter der „Mixed Reality“ steht uns bevor.“

Einen großen Anteil daran will Mark Zuckerbergs Unternehmen META (ehemals „Facebook“) mit dem METAVERSE haben.

Mit Technologien des sogen. WEB 3.0 – wie etwa Blockchain, NFTs, Künstliche Intelligenz (KI), Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) sowie Holografie soll eine neue Wirklichkeit entstehen, in der und mit der wir einen Großteil unseres Lebens verbringen.

Klingt wie eine “Black Mirror”-Folge auf Netflix? Könnte es auch werden.

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Das Metaverse

Der Name Metaverse stammt aus dem Sience Fiction Roman “Snow Crash” von Neal Stephenson (1991).

Wie im Roman können auch im echten Leben die NutzerInnen mit Hilfe von Hardware wie VR-Brillen und in digitaler Gestalt eines Avatars das Metaverse betreten.

Das Metaverse will in allen Bereichen des Lebens dabei sein: Arbeiten, Spielen, Lernen, Events, Freunde treffen, Shoppen, Sport, Grundstücke kaufen, Räume einrichten.

Und es geht noch weiter: Die Gestaltung, Erlebnisse und Nutzung im Metaverse verspricht Grenzenlosigkeit. Meetings mit Kollegen aus aller Welt, im virtuellen Laden Kleidung anprobieren, ein Boxtraining mit einem Monster als Gegner – alles geschieht in 3D, Echtzeit und ineinander übergreifend.

Im virtuellen Laden Kleidung anprobieren oder ein Boxtraining mit einem Monster als Gegner..“

“I believe the Metaverse is the next chapter for the internet.” Laut Zuckerbergs Prognose wird diese Art der Verschmelzung von digitaler und echter Welt bereits in 5 bis 10 Jahren Mainstream sein.

Das Metaverse existiert aktuell noch nicht vollständig. Es muss sich stetig entwickeln und erweitern.

Der Avatar

Wie bereits erwähnt, agiert man innerhalb des Metaverse als Avatar – einem virtuellen Abbild seiner selbst. Dieser kann, muss aber nicht dem realen Erscheinungsbild entsprechen. Willst du ein pinkfarbenes Fabelwesen sein – kein Problem. Avatare können fliegen, durch Wände gehen oder sich in die reale Welt als Hologramm teleportieren. Sie bewegen sich frei zwischen den unterschiedlichen Welten und Räumen.

Visuelle Selbstoptimierung scheint – wie auch in sozialen Medien – ebenfalls ein großes Thema: Keine Haare auf dem Kopf im realen Leben? – Mach dich zum Timothée Chalamet mit wallender Lockenpracht.

Statt Instagram-Filter lässt sich also einfach gleich eine jugendliche, idealisierte digitale Identität erschaffen.

Verfolgt man den enormen Erfolg und die zunehmende Relevanz von sogenannten CGI-Influencern (computergenerierte Identitäten) weiß man: Avatare haben keine Akne.

META Konsum

Das Metaverse ist grenzenlos. Und grenzenlos scheinen auch die Möglichkeiten an Konsum. Einrichtung, Haushaltsgegenstände, Kosmetik, Autos, Gaming Tools… Alles ist erwerbbar: Ob als digitales Objekt im Metaverse oder für die Lieferung ins reale Heim. Dabei besitzt das Metaverse ein eigenes Wirtschaftssystem mit Währungen, Handel und Banking.

Im Oktober vergangenen Jahres veröffentlichte META das Video: The Metaverse and How We’ll Build It Together — Connect 2021. Hier kommuniziert Zuckerberg direkt seine Ideen und Ziele. Das Video ist vollgepackt mit etlichen Beispielen. Er und seine MitstreiterInnen betonen dabei immer wieder die Wichtigkeit von Creators – also Menschen, die selbst aktiv im Metaverse erschaffen. Und davon natürlich monetär profitieren sollen. Entsprechende Tools, um in Metaverse entwerfen zu können, werden bereits entwickelt.

„3-D-Streetart, die bei der virtuellen Stadtführung aufploppt, fliegende Koi-Karpfen, zwischendurch ein Hundevideo.“

Die Geballtheit an „coolen“ Möglichkeiten, die das Leben mit Metaverse bieten soll, erschlägt einen beim Ansehen förmlich:

3-D-Streetart, die bei der virtuellen Stadtführung aufploppt, fliegende Koi-Karpfen, zwischendurch ein Hundevideo, das man direkt aus dem Metaverse an seinen Dad ans Handy schickt…

Und immer wieder – neben dem viel gepriesenen selber kreieren und entwickeln – konsumieren, konsumieren, konsumieren: In 10 Jahren möchte Zuckerberg mit Metaverse eine Milliarde Menschen erreichen und hunderte Milliarden Dollar an digitalen Handel einfahren.

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Wer sagt es ihnen?!

Als Vishal Shah (Chef Metaverse Products) mit einer Designerin durch eine virtuelle Schmetterlings-Botanik schreitet, die geschaffen wurde, um ihre Duftkerzenkollektion erlebbarer (hust: verkaufbarer) zu machen und er ernsthaft dazu offeriert wie „sinnstiftend“ das Metaverse sein wird, kam die Frage in mir auf: Wer sagt es Ihnen?!

Neben zahlreichen nützlichen Aspekten wie eine greifbare Art des Lernens zu erschaffen und viele tolle Chancen für Inklusion, die das Metaverse bietet, bleibt die „Black Mirror“-Assoziation in mir.

Dass Zuckerberg zudem behauptet, wie toll das Metaverse ökologisch sei, da man damit z.B. den Arbeitsweg spart – Man möchte Johnny Depps Anwaltsteam engagieren, um gegen diese Falschaussage vorzugehen!

Schon jetzt gehört das weltweite Streaming zu den größten CO2-Sünden weltweit. Der Stromverbrauch für Rechenzentren für virtuelle Welten, Güter, Währungen etc. wäre ebenfalls nur eins – grenzenlos. Klimaziele sprengen statt einhalten also.

Die wichtigste Erfahrung ist Zuckerbergs Ansicht nach: “Connection with people.”

„Wehe jemand teleportiert sich zu mir!“

Ich möchte nach der Sichtung des Werbevideos nur eins: Disconnection. Wenn schon Mixed Reality dann gebt mir im Metaverse meine Villa mit Meerblick, wo ich im Schaukelstuhl mit Buch sitze. Und wehe jemand teleportiert sich zu mir!

Leider werde ich mir das nicht leisten können. Oder ich arbeite einfach noch mehr! Vielleicht als Metaverse Creator. #ironieoff

Die Zukunftsvision von Stephensons Buch „Snow Crash“ ist dystopisch. Das dortige Metaverse wird von großen Konzernen gelenkt. Nur sehr reiche Menschen können Ihre Avatare und Wohnräume ausstaffieren. Der Rest der Menschen pixelt im Metaverse vor sich hin. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass Zuckerberg gerade diesen Namen gewählt hat.

Wer tiefer in die Thematik einsteigen will: Das meist zitierte Essay, wenn es um die Definition des Metaverse geht, stammt von Matthew Ball:  „The Metaverse: What It Is, Where to Find it, and Who Will Build It“.

Die neuste Instagram Challenge, tanzende Promis auf TikTok oder Entgleisungen im Trash TV: Frides Blick auf die Medien entgeht nichts und sie bezieht auf charmant-(selbst-)ironische Art Stellung zu jedem Phänomen.

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