Paps III: Ist das der Schlüssel zur gleichberechtigten Erziehung?

Paps – Eine Kolumne über das Papa sein

Sie ist klein und wird schnell heiß: Kleine Glasflaschen eröffnen Vätern eine ganz neue Welt der Möglichkeiten.

Viele junge Mütter sind ihrem Baby niemals allzu fern, schließlich sind sie nicht nur Elternteil, sondern auch exklusive Nahrungsquelle. Noch immer ist das der Standard, noch immer werden Alternativen nur bei Krankheiten oder anderen medizinischen Problemen empfohlen. Eine ganz andere Dimension geht dabei aber vollkommen unter: die Gleichberechtigung.

Welche Freiheit ein Vater mit einem Baby erleben kann, zeigt sich doch erst, wenn das Stillen keine exklusive Angelegenheit der Mütter mehr ist. Sie eröffnen Welten ewiger Spaziergänge, Einkaufstouren, Arzttermine und ausgedehnter Nachmittage im Biergarten. Zweifellos lassen sich noch zahllose Vorteile für Mütter hinzufügen, darunter dürfte ein riesiger Gewinn für die persönliche Freiheit ziemlich weit oben stehen.

Medizinische Nachteile für Babys sind nicht belegbar

Da es sich beim Stillen für Mütter jedoch um ein hochemotionales Thema handelt, stellen sich diesen auf den ersten Blick unschlagbaren Vorteilen jedoch auch viele Zweifel, Ängste und Schuldgefühle entgegen. Mütter stehen unter gewaltigem, sozialem Druck, ihrer Aufgabe bestmöglich nachzukommen. Und die Muttermilch wird immer wieder von allen Seiten als Beste Wahl für das Kind beschrieben. Selbst Hersteller von Babynahrung schreiben das auf ihre Verpackungen. Dazu kommt, dass eine Entscheidung gegen das Stillen ohne medizinische Notwendigkeit im sozialen Umfeld und auch bei MedizinerInnen auf Skepsis stoßen kann.

Dieser Beitrag soll und kann jedoch nicht all diese Zweifel wissenschaftlich fundiert ausräumen. Tatsächlich ist die Forschung dazu nur sehr begrenzt vorhanden. Ein Grund dafür könnte die eben erwähnte Hochemotionalität sein, der wenig Renommee für ForscherInnen verspricht und die Finanzierung für entsprechende Einrichtungen schwermachen dürfte. Es gibt sogar Hinweise, die nahelegen, das konservative PolitikerInnen gegen Babynahrung Kampagne machen.

Die Journalistin Sophia Wagner hat für den Deutschlandfunk trotzdem eine Reihe von ForscherInnen zu der Wissenschaftlichkeit der These, „dass Muttermilch das Beste ist“ befragt, und dabei kam unter anderem das heraus:

„An ihrem Lehrstuhl forscht [Valerie] Verhasselt unter anderem an dem Zusammenhang zwischen Muttermilch und Allergien. „Es werden viele Vermutungen angestellt über Muttermilch. Die Leute sagen: „Oh, Milch enthält dies, dies und das, also wird sie diesen Effekt haben“. Nein, sie enthält viele interessante Moleküle, die vorteilhaft sein könnten – aber es ist nicht bewiesen, dass sie wirklich einen Einfluss oder eine Wirkung haben.“

Verhasselt ist Professorin für Muttermilchforschung an der University of Western Australia in Perth, Australien und hat auch eine Ansicht zum Thema Allergievorbeugung:

„Muttermilch ist sicherlich hervorragend zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten geeignet, aber es gibt keine Beweise dafür, dass menschliche Milch allergische Krankheiten verhindert.“

Auch der angebliche Einfluss auf die Intelligenz des Kindes ließ sich bisher nicht nachweisen. Studien legen nahe, dass gestillte Babys oft einen „feinfühligen Umgang“ erleben. Der dürfte sich aber wohl auch ohne das Stillen umsetzen lassen.

Die Vorbehalte werden jedoch immer bleiben, egal wie oft ForscherInnen wiederholen „Frauen, die nicht stillen können oder wollen, sollte man also nicht verurteilen„. (Klaus Vetter, Sprecher der Nationalen Stillkommission, 2014 bei der Süddeutschen Zeitung).

Kommen wir aber noch einmal zu den Vorteilen, um die es in dieser Debatte viel zu selten geht. Den Fehler nämlich, dass Eltern in solchen Situationen immer das angebliche „Wohl des Kindes“ in den Vordergrund rücken, im medizinischen Zweifel, lässt die Bedürfnisse der Eltern in Vergessenheit geraten.

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Durch das Stillen verlieren Väter den Anschluss

Die ersten Monate mit dem Baby dürften zu den allerwichtigsten gehören. In dieser Zeit entwickelt sich nicht nur das Baby, aus ganz gewöhnlichen Menschen werden Eltern. Naja, zumindest theoretisch. Es sind überwiegend Mütter, die die Arbeit übernehmen. In den vergangenen Kolumnen bin ich bereits mehrfach auf die Gap bei den Elternzeit zulasten der Väter eingegangen. Das Problem: Das Stillen macht es in vielerlei Hinsicht gar nicht anders möglich.

In diesen ersten wichtigen Monaten verlieren Papas also nicht nur wertvolle Zeit zur Bindung mit dem Baby, ein anderer Faktor wiegt für die Gleichberechtigung noch schwerer: Durch die ungleiche Verteilung an Zeit mit dem Baby können gewaltige Wissenslücken entstehen, die sich später möglicherweise nicht mehr ohne Weiteres aufholen lassen. Dafür spricht unter anderem der vielzitierte Satz einiger Mütter, dass ihr Mann „es eben nicht könne“, und sie sich daher weiterhin exklusiv mit Fürsorgearbeiten beschäftigen.

Die Alternativen zum Stillen machen das Leben für alle leichter

Dabei können Eltern andere Wege wählen, zu den einfachsten gehört die Nutzung von Pre-Nahrung (Milchpulver für Babys), für medinisch besorgte Eltern gibt es auch die Möglichkeit, Muttermilch abzupumpen. In diesem Fall bleiben jedoch vor allem körperliche Nachteile für Mütter weiter bestehen.

Die Liste der Vorteile für die Eltern und das familiäre Zusammenleben ist lang:

– Nächte lassen sich frei einteilen, etwa in Schichten: Die Zubereitung der Babynahrung erfordert zwar den Gang in die Küche, kann dafür aber von jeder und jedem erledigt werden. Eine gewaltige Befreiung für Mütter, die endlich durchschlafen können. Den Vätern ermöglicht das nächtliche Stillen ein schnelles Erlernen von Fähigkeiten, mit denen sie das Baby nach dem Schreien wieder beruhigen und in den Schlaf kuscheln können.

– Unterwegs ist Pulvernahrung einfach praktisch: Einfach eine Tupperdose mit Pulver und eine Thermoskanne sowie eine reguläre Wasserflasche mitnehmen.

– Arztbesuche können von Tag eins an vom Papa übernommen werden. Eine weitere Aufgabe, die Mütter sonst exklusiv innehalten und bei der Väter wertvolle Erfahrungen sammeln können.

– Väter können eine sehr emotionale Beziehung zu dem Baby eingehen, die ihnen in vielen Fällen bei stillenden Müttern verwehrt sein könnte. Dies könnte dem Baby zugute kommen und den Zusammenhalt der Familie langfristig stärken.

– Die Gleichberechtigung kommt einen Riesenschritt voran, weil Väter durch die bessere Bindung zu dem Kind und das Knowhow vom ersten Tag an bei der Fürsorgearbeit beteiligt sind.

– Mütter können Freizeit ohne den Partner und das Baby bereits einige Wochen nach der Geburt haben, die stillende Mütter sich in einigen Fällen erst Monate oder Jahre später zugestehen. Sie können sich dabei sicher sein, dass ihr Partner* das Kind schon schaukeln kann.

– Und: Mütter können schneller wieder in den Job zurück.

Das sind nur eine Reihe von Vorteilen, die sich vor allem auf Väter konzentrieren. Eine Verteilung der Arbeit dürfte nicht nur der Gleichberechtigung zugutekommen, sondern am Ende natürlich auch den Babys. Denn nichts ist besser für die Kleinen, als ausgeglichene Eltern.

Hinweis des Autors: Dieser Beitrag stellt keine medizinische Beratung dar, sondern ist eine Auflistung von Vorteilen für das Zusammenleben von Familien.

Quelle

Als Autor und freier Journalist ist Richard mit der Forschung am guten Leben beschäftigt. Er war Mitgründer des transform Magazins und arbeitete dort in der Chefredaktion bis 2019. Anschließend erschien von ihm das Taschenbuch Landreisen. Weitere Veröffentlichungen von Richard sind zu finden bei GEO Saison, der Freitag oder ze.tt (ZEIT Online). Für LAYERS schreibt er über aufregende Reisen, die Schönheit der Langsamkeit im Alltag und das Leben als frisch gebackener Papa.

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