Im Gespräch mit Optikermeister Sebastian Wunderlich
Plagwitz, Schleußig und Lindenau kennt man ja, aber habt ihr euch schon mal weiter in den Leipziger Westen vorgewagt? Wenn nicht, dann wird es höchste Eisenbahn. Neben kleinen Oasen wie der Villa Hasenholz, dem S1 Vinyl und Kaffee oder dem Atelier von Lena und Raphael, gibt es seit diesem Frühjahr auch einen weiteren spannenden Ort zu entdecken und Local Hero kennenzulernen.
Direkt gegenüber des Leutzscher Rathauses hat sich Augenoptikermeister Sebastian Wunderlich mit seinem Store Wunderlichs Brillenschmiede niedergelassen. Kennengelernt haben wir Sebastian schon vor einer Weile als er noch als Storemanager bei VIU Eyewear im Zentrum gearbeitet hat. Der Wunsch nach seinem eigenen Reich war aber schon lange groß und so haben wir uns sehr gefreut als Sebastian uns in seine neue Brillenschmiede einlud.
Schon nach einem kurzen Gespräch mit Sebastian ist schnell klar: Der Mann ist vom Fach und weiß wovon er spricht. 1999 fing er als Lehrling in der Augenoptik an, 2008 machte er seinen Meister. Mit seiner Frau, die Sebastian während der Meisterzeit kennenlernte, wanderte er danach in die Schweiz aus. Hier wollten die beiden Erfahrungen sammeln und eigentlich nur 2 bis 3 Jahre bleiben. Daraus wurden 8 Jahre und zurück nach Deutschland kamen sie auch nicht nur zu zweit, sondern zu dritt als kleine Familie.
Wie es ihnen in Leipzig gefällt, was Sebastians Vision für die Brillenschmiede ist und wie viele Brillen er als Optiker eigentlich selbst besitzt, hat er uns im Interview erzählt.
Sebastian, war es schon immer dein Traum deinen eigenen Store zu eröffnen?
Ich hatte den Gedanken seitdem ich meine Lehre angefangen habe. Meine ganze Familie hat beim Gläserspezialisten Zeiss gearbeitet und dadurch bin ich früh mit dem Thema Augenoptik in Berührung gekommen. Der Bereich war für mich schon immer sehr interessant. Schon beim Berufsorientierungstest in der Schule war mein Ergebnis immer „Augenoptiker“. Durch ein Praktikum bin ich später bei Apollo gelandet, wo ich dann auch meine Lehre absolviert habe. Der Gedanke mal etwas Eigenes zu besitzen, reifte schnell.
Was hat euch nach eurer Zeit in der Schweiz dazu bewegt, zurück nach Deutschland zu kommen?
Als meine Frau und ich in der Schweiz waren, war uns sehr schnell klar, dass wir länger bleiben möchten als geplant. Es hat uns an einen sehr schönen Ort verschlagen, nach Thun, „die Stadt der Alpen“. Man schaut auf Eiger, Mönch und Jungfrau und hat davor direkt den See. Wir haben schnell Anschluss und neue Freunde gefunden und hatten beide gute Jobs bei Fielmann. Vielleicht wären wir sogar dort geblieben, aber der wichtigste Grund, warum wir zurück nach Deutschland gekommen sind, ist unser Junior. Wir wollten nicht, dass er Oma und Opa nur durch Skype kennenlernt. Die Großeltern freuen sich sehr und sind oft bei uns. Wir wollten in die Nähe unserer Eltern ziehen, aber Leipzig hatten wir erst gar nicht auf dem Schirm. Ich hatte das Glück, dass ich jemanden von VIU kannte. So habe ich davon erfahren, dass noch ein Store Manager für Leipzig gesucht wird. Als das mit Leipzig feststand, haben wir uns mit der Stadt erstmal beschäftigt und festgestellt, dass Leipzig gar keine so dumme Idee war.
Und wie gefällt es euch in Leipzig?
Von unserem zu Hause aus läuft man nur 5 Minuten bis zum Auensee, die Wege innerhalb Leipzigs und zum Cossi sind nicht zu lang und man kann immer im Grünen laufen. Für uns zählen auch die Familienfreundlichkeit und die vielen Facetten von Leipzig. Es ist einfach abwechslungsreich und man kann hier jeden Tag etwas erleben.
„Wenn jemand bei mir eine Brille haben will, die ihm nicht gut steht, dann sage ich das auch direkt.“
Was macht den Beruf des Optikers für dich so besonders? Was ist deine Philosophie und wie hebst du dich von anderen Optikern ab?
Was mich an der Augenoptik reizt, ist die Vielfalt. Ich bin Seelsorger, Zuhörer, Bespaßer für Kinder und manchmal auch Beschwichtiger. In der Vergangenheit gab es sogar schon das eine oder andere richtige Familiendrama, dann muss man auch mal vermitteln. Was den Beruf für mich ausmacht ist, dass ich mit vielen kleinen Komponenten etwas zusammen bastel, das mich am Ende stolz und den Kunden glücklich macht. Meine Devise ist, komplett ehrlich zu meinen Kunden zu sein. Wenn jemand bei mir ist und keine Brille findet oder eine haben will, die ihm nicht gut steht, dann sage ich das auch direkt. Die beste Werbung ist ein Kunde, der mit seiner Brille lächelt.
Hast du eine bestimmte Strategie, wie du an deine Kunden herangehst? Was ist bei dir anders?
Ganz klar die Sehanalyse. Nur, wenn ich mit dem Kunden eine sehr genaue Analyse mache, kann ich die Gläser präzise anpassen. Es ist aber auch wichtig, dem Kunden zuzuhören, zu hinterfragen was er möchte und wie sein Arbeitsalltag aussieht. Kombiniert mit der Sehanalyse können wir dann das Beste aus der Brille holen und die Symbiose zwischen Tag- und Nacht-Sehen optimieren. Die meisten Menschen haben eine super Brille für tagsüber, nachts haben viele aber ein Problem.
Also ist der Sehtest elementar, um zu bestimmen welche Gläser und auch welches Gestell der Kunde bekommt?
Ja, das Optimalste ist, wenn der Kunde reinkommt und wir zuerst die Analyse und den Sehtest machen. Dann weiß ich, welche Stärke der Kunde braucht und welche Problematik sonst noch auftaucht. Erst danach gehen wir zur Fassungsauswahl über und suchen das beste Gestell für die Gläser. Nichts ist schlimmer, als wenn Fassung und Glas nicht zusammen passen.
Welche Labels sind bei dir vertreten und wer ist deine Zielgruppe?
Das einzige Label, hinter dem ein wirklich großer Konzern steht, ist Zeiss. Ansonsten sind alles kleinere, aber auch größere Independent Labels. Düsseldorf Eyewear zum Beispiel, ist ein ganz junges Label und wurde erst 2016 gegründet. Hinter jedem der Labels steht eine Geschichte. Bei Düsseldorf Eyewear war es so, dass der Gründer keine Brille für sich gefunden hat und deshalb begonnen hat, seine eigenen Brillen zu designen. Ansonsten haben wir unter anderem Brillen von dem kalifornischem Unternehmen Salt. Alle Brillen von Salt sind aus Titan oder Acetat und werden in Japan handgefertigt. Das Acetat wird ebenfalls in Japan hergestellt und hat eine tolle Qualität. Blackfin ist ein Familienunternehmen. Alles wird immer noch in dem Dorf in Norditalien gefertigt, in dem die Firma in den 1960ern gegründet wurde. Ihre Brillen sind sehr besondres und spielen viel mit Farbe. Wir haben aber auch Gestelle für den kleineren Geldbeutel, wie z.B. von Retro und Co oder Whynot. Und zur Zielgruppe: Von den jüngeren Familien bis hin zu den 60- bis 65-jährigen werden alle bei mir fündig. Vor allem die Älteren sind immer froh, auch mal etwas Ausgefalleneres zu finden, ohne, dass der Preis gleich Highend ist.
„Ich möchte selbst etwas erschaffen und meine eigene Geschichte kreieren.“
Du hast ja gerade im April eröffnet. Wo soll die Reise noch hingehen?
Das, was meine Frau und ich uns wünschen ist, dass die Menschen herkommen und uns eine Chance geben. Wie es der Name Brillenschmiede schon verrät, wird das nächste Ziel sein, eigene Brillen herzustellen. Wir sind gerade noch in der Findung: 3D-Druck oder klassisch Azetat und Metall? Für mich ist es interessant, in der Zukunft gewisse Teile und Formen im Laden zu haben, sodass wir das Gestell genau an den Kunden und seine Nasenform anpassen können. Das wäre echt ein tolles Highlight für unsere Brillenschmiede. Gerade den Schritt zur eigenen Kollektion finde ich sehr interessant, ich möchte aber nicht nur Brillen einkaufen und mein Label darauf stempeln, sondern selber etwas erschaffen. Aus allen Materialien gibt es eigentlich schon Brillen und ich muss für mich noch das optimale Material finden, meinen eigenen Stil und meine eigene Geschichte kreieren. Gerade sind wir am überlegen, was wir aus alten Skateboards so machen können. Auch für mich ist es schwierig, eine Brille zu finden, mit der ich zu 100% zufrieden bin. Vielleicht kann ich diese in Zukunft ja selbst gestalten.
Wie viele Brillen hast du selbst eigentlich zu Hause? Und wie wählst du aus, welche du jeden Tag aufsetzt?
Ich habe ein paar Klassiker, die bestimmt irgendwann wieder modern werden, die hebe ich auf. Die einzige Brille, die ich aktuell immer trage, ist wirklich meine Lieblingsbrille. Aber, wenn ich später vielleicht mal eigene Brillen mache, werde ich sicher mehr haben. Meine Frau hat auch einen Haufen Brillen zu Hause, da ist aus jeder Epoche etwas dabei.
Was sagst du zu dem Image-Wandel, den die Brille in den letzten Jahren durchgemacht hat?
Wir sind von früher alle ein bisschen geschädigt, die Brillenauswahl war nicht groß und fast alle Kinder sahen gleich aus. Im Westen gab es in den 70ern zwar schon schöne Luxusmodelle, z.B. von Gucci oder Prada, aber das konnten sich auch dort die Wenigsten leisten. Häufig lag es aber auch an den Eltern, die einfach sparen wollten und ihren Kindern die dicksten Gläser gekauft haben, ich glaube da kommen die Traumata her. Mittlerweile gibt es aber wirklich schöne Brillen zu erschwinglichen Preisen. Früher war die Brille für die Meisten nur ein Gebrauchsgegenstand, aber auch das wandelt sich gerade. Auch Ältere entdecken wieder den Spaß an Brillen, greifen nicht mehr nur zum 0815 Gestell und haben z.B. Lust auf Farbe.
Zum Abschluss: Wo entspannst du dich und gibt es schon einen Lieblingsort, den ihr in Leipzig gefunden habt?
Unser Rückzugsort hier in Leipzig ist unser Schrebergarten. Da gibt es immer sehr viel zu tun. Wenn wir mal als Family zusammen sind, verbringen wir unsere Zeit auch gerne am Auensee, ansonsten entdecken wir die Stadt noch. Am Wochenende waren wir mit Junior auf der Karl-Heine-Straße und am Kanal, da wollen wir auf jeden Fall öfter hin.
Vielen Dank an Ramona Schacht für die Bilder.
Niki Wonafurt
Hi Franzi, an dieser Stelle mal ein dickes Lob für Deine Geschichten – ich lese sie gern, ich schaue mir gern die Bilder an (nochmal Lob!) und komme immer gern hier wieder vorbei. So, das musste mal gesagt werden! Liebe Grüße, Deine Niki Wonafurt
FranziBlogger
Hallo Niki, vielen Dank für die netten Worte. Das freut mich sehr! Liebe Grüße Franzi