„Selbstständig zu arbeiten, ist eben nicht nur lässiger „digital nomad“-Lifestyle“

Selbst & Ständig – Interview mit Journalistin Julia Hackober

Am Wochenende nicht zu arbeiten, sondern mich zwei Tage lang ausschließlich um meine Familie, den ungelesenen Bücherstapel auf meinem Nachttisch und ja, auch den liegen gebliebenen Wäscheberg zu kümmern, ist ein fester Vorsatz, den ich in den allermeisten Fällen schaffe, einzuhalten. Dennoch linse ich sonntags regelmäßig gespannt in mein Mail-Postfach. Den Grund dafür liefert zum Glück kein aufdringlicher Kunde, sondern meine heutige Interviewpartnerin, die freie Journalistin Julia Hackober.

Sie schreibt nicht nur für Medien wie STERN, Spiegel online oder das Manager Magazin, sondern versendet jeden Sonntag mit Sunday Delight auch ihren eigenen Newsletter mit ebenso unterhaltsamen wie informativen Kolumnen und News rund um Popkultur, Lifestyle und Gesellschaft. Milchkaffee schlürfend und auf dem Sofa lümmelnd, sind Julias stilsicheren Texte und sorgfältig kuratierten Tipps genau die richtige Lektüre, um in einen entspannten Sonntag zu starten, an dem keine beruflichen Verpflichtungen einen von den schönen Seiten des Lebens abhalten.

Nach Festanstellungen in großen Verlagen arbeitet Julia mittlerweile als freie Journalistin. Im Interview verrät sie u.a., was sie im Rückblick auf ihre ersten Berufsjahre anders machen würde, wie sie fürs Alter vorsorgt und weshalb sie manchmal nicht gut schlafen kann. Außerdem teilt sie wichtige Fragen, die man sich unbedingt stellen sollte, wenn man mit der Selbstständigkeit liebäugelt. Los geht’s:

Julia, als was und seit wann arbeitest du selbstständig?

Ich arbeite seit Ende 2022 als freie Journalistin, Moderatorin und Content-Beraterin. Außerdem habe ich mein eigenes Newsletter-Magazin Sunday Delight gegründet – jeden Sonntag verschicke ich einen sorgfältig kuratierten Blick auf Themen aus Popkultur, Stil und Gesellschaft. 

Kannst du dich noch an den Moment erinnern, in dem du entschieden hast, dass du deinen sicheren Job aufgeben und es mit der Selbstständigkeit versuchen möchtest? Was hat dir bei der Entscheidung geholfen? 

In der Medienbranche ist auch ein fester Job nie sicher; in acht Jahren bei einem der größten Verlage Deutschlands habe ich vier Restrukturierungsprozesse mitgemacht, bei denen ganze Teams von einem Tag auf den anderen gestrichen wurden. Mein ganzes berufliches Leben war von Unsicherheit geprägt, daher war der Schritt in die Selbstständigkeit für mich mit nicht so vielen Ängsten verbunden, auch wenn sich das kurios anhören mag.

Ich hatte eher das Gefühl: Ich nehme mein berufliches Leben jetzt selbst in die Hand! Das hat mich unglaublich motiviert. 

Welchen Part der Selbstständigkeit hast du vorher unterschätzt oder wusstest vielleicht sogar gar nichts davon?

Ich hatte keine Ahnung von Honoraren! Ich habe viel rumtelefoniert und mich bei Kolleg:innen erkundigt: Was kann man wofür verlangen? 

Wie gehst du mit Unsicherheiten, zum Beispiel in Hinblick auf nicht planbares oder schwankendes Einkommen, um?

Ganz ehrlich: Manchmal macht mir die Unsicherheit gar nichts aus und ich nehme es locker, wenn mal nicht so genau weiß, was ich im nächsten Monat arbeiten werde. Dann wieder verfluche ich mich selbst, wieso ich mir diesen ganzen Stress antue! ☺ Ich versuche aber, mit meinen Finanzen so zu haushalten, dass ich nicht gleich verzweifeln muss, wenn ich mal krank bin. Das reduziert den Stressfaktor ungemein. 

Hand auf’s Herz: Wie schwer fällt es dir Feierabend zu machen?

Ich kann gut vom Schreibtisch aufstehen, einen Spaziergang machen und mit einem richtig schön klassischen Abendbrot mit Käse und Gürkchen in den Feierabend starten. Mein Problem ist eher, dass meine Gedanken viel zu oft um die Arbeit kreisen und ich deshalb auch oft nicht so gut schlafen kann. Da geht’s dann aber meist weniger um konkrete Job-Themen, eher um generelle Fragen: Stelle ich mich richtig auf, was könnte ich an der Selbstständigkeit optimieren, wie Stress reduzieren? Solche Probleme eben, die sich nachts natürlich erst recht nicht lösen lassen… 

In welchen Momenten liebst du es, dass du selbstständig arbeitest? Gibt es auch Momente, in denen du an der Entscheidung zweifelst?

Meist sind es kleine Situationen im Alltag, in denen ich denke: Krass, das könntest du jetzt nicht so einfach machen, wenn du festangestellt wärst. Zum Beispiel nach dem Frühstück erst mal einen Spaziergang zu machen, um sich mit frischem Kopf an den Laptop zu setzen.

Diese Freiheit, den Tag selbst gestalten zu können, genieße ich schon sehr. Und auch, dass ich mit viel mehr unterschiedlichen Leuten zu tun habe als früher – mein Netzwerk und mein Bekanntenkreis sind viel größer geworden in der Selbstständigkeit! 

Die schlimmste Phase in der Selbstständigkeit habe ich erlebt, als ein wichtiger Auftraggeber insolvent gegangen ist. Ich habe relativ viel Geld verloren, weil Rechnungen nicht mehr bezahlt wurden, und ich war auch menschlich sehr enttäuscht. Ich konnte einfach nicht fassen, dass man Leute noch so viel für sich arbeiten lässt, wenn man weiß, dass man sie nicht mehr bezahlen kann. Das hat mich ziemlich erschüttert. Und natürlich habe ich mich in dem Moment gefragt: Wieso suchst du dir nicht einfach einen normalen festen Job? Warum machst du dir das Leben freiwillig so anstrengend?! 

Wie sorgst du für’s Alter vor und wie gehst du mit Ausfällen um, wenn du mal krank bist oder aus anderen Gründen nicht arbeiten kannst?

Ich beschäftige mich wirklich viel mit meinen Finanzen, damit ich Engpässe rechtzeitig erkenne und entsprechend vorsorgen kann. Ansonsten bin ich als Freiberuflerin über die Künstlersozialkasse versichert, das ist sehr praktisch, weil ich ganz normal in die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung einzahle. Zusätzlich sorge ich privat fürs Alter vor, die Ausgaben sind fest in meinen Fixkosten einberechnet, sonst denkt man zu schnell: Ach, die Ausgabe spar‘ ich mir diesen Monat. 

Wie motivierst du dich, wenn es mal nicht so läuft?

Ich muss mich eher motivieren, wenn es zu gut läuft – ich halse mir oft zu viele Aufträge auf und weiß dann gar nicht, womit ich anfangen soll. Da verliere ich dann schnell die Lust, zumal ich für feuilletonistische Texte einfach auch Ruhe und Inspiration brauche, die sind nicht mal so eben schnell weggearbeitet.  

Das ist vielleicht das Schwierigste an meiner Selbstständigkeit: Man kann nicht immer auf Knopfdruck kreativ arbeiten, das geht einfach nicht.

Wie kommst du als freie Journalistin an deine Aufträge? Hast du einen Tipp, wie man sich „einen Namen macht“?

Mir hat schon sehr geholfen, dass ich lange bei einer renommierten großen Zeitung gearbeitet habe; dort konnte ich mir eine gewisse Reputation aufbauen. Und ehrlich gesagt auch das nötige Selbstvertrauen für die Selbstständigkeit – ich bin durch eine harte Schule gegangen, dafür habe ich heute aber keine Zweifel mehr, was meine Tätigkeit betrifft. Ich weiß, was ich kann, und was auch nicht. Außerdem saß ich als Redakteurin lange genug auf der „anderen“ Seite, um zu wissen, was gut ankommt, wenn man freie Texte anbietet (immer Arbeitszeile und Teaser vorschlagen!). Insofern kann ich nur raten:

Wenn man es mit dem Journalismus ernst meint, ist es schon ratsam, zu Beginn der Karriere eine gewisse Zeit in einer Redaktion zu verbringen, damit man die Interna des journalistischen Arbeitens besser versteht und sich genügend verlässliche Kontakte aufbauen kann, für die man im Zweifel mehr ist als eine Email-Adresse oder ein Linkedin-Like.

Ich bekomme die allermeisten Aufträge über direkte Kontakte oder Weiterempfehlungen – manchmal über unerwartete Ecken, weil jemand sich an eine gute Zusammenarbeit erinnert hat. 

Was ich im Rückblick auf meine ersten Berufsjahre anders machen würde (vielleicht hilft der Tipp Leuten, die jünger sind): nicht so sehr am unmittelbaren Team kleben. Versucht, Euch auch außerhalb der engsten Kolleg:innen-Dynamik zu vernetzen, Leute anzusprechen, Mentor:innen zu finden, im Unternehmen, aber auch außerhalb. Die meisten Menschen freuen sich, wenn sie nach ihrer Expertise gefragt werden. Ich selbst mache zum Beispiel beim Reverse-Mentoring-Netzwerk fementor mit, bei dem erfahrenere und jüngere Kolleg:innen „gematched“ werden. 

Neben deinen Texten für deine Kunden hast du auch ein eigenes Projekt und versendest jeden Sonntag deinen Newsletter „Sunday Delight“. Warum hast du den Newsletter gestartet und wer sollte ihn abonnieren?

Mich hat immer etwas gestört, dass man als Autorin bei den meisten Verlagen auf ein Thema reduziert wird – ENTWEDER Kultur ODER Wirtschaft ODER Stil. Mich haben aber immer viele verschiedene Themen interessiert. 

Also habe ich den Newsletter gestartet, um jede Woche eine vielfältige Mischung von Themen aus Popkultur, Gesellschaft und Style zu kuratieren und zu besprechen. Sunday Delight ist juicy Feuilleton für Millennials – aktuell, überraschend, persönlich, unprätentiös. 

Was war bisher dein größtes Learning in Bezug auf die Selbstständigkeit? Hast du einen Tipp für alle, die auch mit dem Gedanken spielen? 

Eine befreundete Unternehmerin riet mir zu Beginn der Selbstständigkeit, einmal alle Aspekte mit meinem Partner bzw. engstem Umfeld durchzusprechen. Ist allen klar, worauf sie sich einlassen? Gibt es Verständnis dafür, dass man nicht 9-to-5 arbeiten wird, sondern teilweise in einem völlig verrückten Rhythmus? Kann jemand finanziell aushelfen, falls gerade zu Beginn der Selbstständigkeit mal eine Rechnung zu spät bezahlt wird und man in finanzielle Schieflage gerät? Aus heutiger Sicht war das ein sehr wichtiger Rat.

Selbstständig zu arbeiten, ist eben nicht nur lässiger „digital nomad“-Lifestyle, sondern ist, je nach Branche, mit vielen Risiken und Verantwortlichkeiten verbunden. Auch gegenüber Familie, Partner:in, Freunden.

Wenn man vor der Entscheidung steht, in die Selbstständigkeit zu wechseln, würde ich mir immer folgende Fragen stellen: Bin ich wirklich die Person, die mit finanzieller Unsicherheit gut klarkommt? Der es nichts ausmacht, Auftragsakquise zu betreiben? Die sich nicht scheut, auch mal eine Mahnung zu schreiben? Die bereit ist, auch abends oder am Wochenende mal eine Arbeitssession einzulegen? Die es aushält, wenn Freunde beleidigt sind, weil man ein Treffen am Wochenende wegen einer Deadline absagt? Die gern auf sich selbst gestellt ist und wenig Anerkennung oder Lob von außen braucht? Die allermeisten dieser Fragen sollte man, zumindest aus meiner Sicht, mit JA beantworten können, wenn man in die Selbstständigkeit wechseln möchte. 

Vielen Dank für das Gespräch, Julia!

Julias sehr lesenswerten Newsletter Sunday Delight könnt ihr hier abonnieren. Mehr über Julias Arbeit als Journalistin, Moderatorin und Speakerin erfahrt ihr auf ihrer Website. Auf Instagram könnt ihr Julia natürlich auch folgen.

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