„Mach nicht alles allein und lass dir helfen.“

Selbst & Ständig – Interview mit Designerin und Unternehmerin Franziska Klee

Von der Chemielaborantin zur Feintäschnerin, Designerin und erfolgreichen (Familien-)Unternehmerin: Als Franziska Klee schwanger mit ihrem ersten Kind war, hat sie es gewagt und ihr Berufsleben einmal um 180 Grad gewendet. Sonst hätte sie es für immer bereut, sagt sie. Von der sicheren und gut bezahlten Anstellung im Pharmaunternehmen ging es also in die unsichere Selbstständigkeit. Franziska sorgte so erstmal für den einen oder anderen Schockmoment bei ihrer Familie. Heute kann sie ihre Kreativität im eigenen Atelier für Taschen und Accessoires aus Naturleder ausleben, führt erfolgreich ein Team mit mehreren Angestellten und hat sogar ihren Mann mit ins Business-Boot geholt.

Im Interview erfahrt ihr, was Franziska am selbstständig arbeiten unterschätzt hat, wie sie die Zusammenarbeit mit Team und Familie organisiert und wofür sie sich in diesem Jahr Unterstützung geholt hat.

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Franziska, als was und seit wann arbeitest du selbstständig?

Seit 2015 arbeite ich in einem Berufszweig, der sich Feintäschner nennt. Ich habe nie eine Ausbildung in dieser Richtung gemacht, mich über viele Umwege und die absolute Liebe zum Handwerk „reingearbeitet“. Mittlerweile arbeiten sechs Menschen für diese kleine, verrückte Idee in meinem schönen Atelier im Leipziger Norden. Wir stellen Taschen und Accessoires aus Naturleder her, die wir auf Wunsch auch gerne personalisieren.

Was hast du vorher gemacht?

Eigentlich bin ich gelernte Chemielaborantin und habe für einige Pharmafirmen gearbeitet. Genau wie man es sich vorstellt: In Reinraummontur. Das ist aber schon so weit weg, dass es sich wie ein anderes Leben anfühlt.

Warum hast du dich dazu entschlossen selbstständig zu arbeiten?

Ich war eigentlich schon immer kreativ und habe es scheinbar auch in die Wiege gelegt bekommen – meine Oma und ihr Papa waren Herrenmaßschneider. Wenn du aber mit 16 einen Realschulabschluss machst, bist du gezwungen, dich für eine Ausbildung zu entscheiden. Mit Mitte 20 hat es mich nicht wirklich erfüllt, das Nähen wurde meine Leidenschaft.

Ich habe jede freie Minute genutzt, um mich auszuprobieren und zu Lernen.

Irgendwann entdeckte ich die Liebe zum Werkstoff Leder. Es entstanden erste Taschenmodelle, ein Blog und später ein kleiner Onlineshop. Mein damaliger Freund und jetziger Mann ist mit mir auf unzählige Designmärkte in ganz Deutschland gefahren – und das nebenbei zu meinem eigentlichen Beruf. Über einige Jahre war das eine 7-Tage-Woche. Als wir unser erstes Kind erwartet haben, wusste ich: jetzt oder nie. Ich habe es einfach ausprobiert, sonst hätte ich mir das nie verziehen.

Wie hat dein Umfeld reagiert?

Mein Familie war erstmal geschockt. In der Pharmabranche verdient man nicht schlecht, die Sicherheiten sind auf einmal weg, man muss sich selbst versichern. Und dann auch noch als junge Familie. Sie haben aber auch gesehen, wie sehr mich meine Leidenschaft glücklich macht und dass meine, unsere, Idee funktioniert.

Hattest du einen Business Plan?

Den hatte ich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob der auch verstanden wurde.

Als Autodidaktin treffe ich viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus.

Wir produzieren unsere Waren aus Gründen der Nachhaltigkeit erst nach dem Eingang einer Bestellung. Genauso liegt unser Fokus auf den direkten Austausch mit unseren Kunden über unsere Social Media Kanäle und unsere Webseite. Das sind alles Ideen, die ich schon viele Jahre verfolge und die heute als gehypte Branchenbegriffe wie „On-Demand-Produktion“ und „Direct-To-Consumer“ funktionieren.

Gibt es eine Aufgabe, die du vorher unterschätzt hast?

Vieles. Manchmal ist es ganz gut, nicht zu wissen, was auf einem zukommt, sonst würde man es nicht machen.

Wie oft ich als Frau unterschätzt und nicht ernst genommen werde, hätte ich nicht gedacht.

Ich habe mir über die Jahre aber einen Biss antrainiert und hake so lange nach, bis ich an mein Ziel komme. Einfach machen und versuchen den Selbstzweifeln in den Hintern zu treten.

Gibt es Tage, an denen du deine Entscheidung bereust?

Ablage, Steuern, Verwaltung. Ich möchte eigentlich nur meine Kreativität ausleben. Dass manchmal so unglaublich viel Bürokratie dranhängt, vermiest mir schon manchmal die Laune.

Was machst du, um motiviert zu bleiben, auch, wenn es mal nicht so läuft?

Ideen entwickeln. Grenzen spornen mich an, Dinge anders zu sehen und etwas Neues auszuprobieren. Meine To Do und Wunschliste wird eher länger als kürzer. Das ist ein gutes Zeichen und sollte auch immer so bleiben.

Wie gehst du mit Ausfall durch Krankheit um und wie kümmerst du dich um deine Altersvorsorge?

Das ist etwas, was ich im Austausch mit vielen Selbstständigen höre: Ich darf nicht ausfallen.

Ich bin viel härter zu mir als in meiner vorherigen Anstellung.

Ich habe aber ein tolles Team im Rücken und mir über Jahre Strukturen aufgebaut, dass ich mir mittlerweile auch mal eine Auszeit gönnen kann. Das ging sehr lange Zeit nicht.

Ähnlich ist das Thema Altersvorsorge. Ich bin Expertin für mein Handwerk, welche Anlagestrategie oder Vermögenskonstrukt sinnvoll ist, weiß ich nicht. Deswegen habe ich mir in diesem Jahr Hilfe von einem unabhängigen Finanzberater geholt. Er hat mit mir Ziele und Lösungen erarbeitet. Das beruhigt ungemein und war jeden Cent wert.

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Was ist für dich der größte Vorteil deiner selbstständigen Arbeit?

Es hat mir ermöglicht, das was ich liebe, jeden Tag machen zu dürfen. Wir können mittlerweile als Familie davon leben, denn auch mein Mann gehört seit einigen Jahren fest zum Team. Das hat uns als Partner und als Familie auf ein anderes Level gehoben.

Du arbeitest mit deinem Mann zusammen, ihr habt Kids. Wie teilt ihr euch die Zeit ein? Ich stelle mir das sehr herausfordernd vor.

Die Organisation ist immer herausfordernd, wir wissen aber, was unsere Stärken und Schwächen sind und setzen sie auch bewusst ein. Unser Tag sieht eigentlich immer so aus, dass wir unsere Kids in die Schule und die Kita bringen, 15:30 Uhr abholen und wenn sie im Bett sind wird noch ein wenig gearbeitet. Das geht nur gemeinsam und im Team. Probleme und Sorgen sprechen wir immer gleich an. Offenheit ist sehr wichtig. Auch wenn der Alltag oft stressig ist, weiß ich, dass wir uns immer aufeinander verlassen können.

Welchen Tipps hast du an alle, die auch überlegen, sich selbstständig zu machen?

Glaub an dich und dein Bauchgefühl. Mach das, was du liebst und gib alles dafür, dann wirst du es automatisch gut machen.

Selbstzweifel wird es immer geben. Du musst lernen mit ihnen zu leben und sie für eine positive Motivation zu nutzen.

Setz dir realistische Zwischenziele. Mach nicht alles allein und lass dir helfen. Wenn du etwas wirklich willst und fleißig bist, wirst du es in den meisten Fällen auch schaffen.

Vielen Dank für deine spannenden Antworten und weiterhin alles Gute für dich und dein Team, Franziska!

Auf der Homepage von Franziska Klee erfahrt ihr mehr über ihr nachhaltiges Label und könnt ihre Taschen, Accessoires und kleine Geschenke shoppen. Für noch mehr persönliche Einblicke folgt Franziska und ihrem Team unbedingt auch auf Instagram.

Was andere Menschen antreibt, ihre Geschichten und persönlichen Erfahrungen, besonders von GründerInnen, interessieren Francis am Meisten. Auf LAYERS findet ihr daher zahlreiche Interviews mit spannenden Persönlichkeiten. Außerdem stellt euch Francis regelmäßig Designfavoriten, Kulturnews und Lieblingsorte vor.

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