Generalvollmacht, Betreuungsverfügung, Ehevertrag und Co.: Wie wir uns als Familie absichern können

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Im Gespräch mit der Fachanwältin für Familienrecht Livia Reuter

Es ist ein heißer Tag im Juni, kurz vor den Sommerferien. Im Schatten unseres Balkons schlürfe ich einen Eiskaffee – noch zehn Minuten Me-Time bevor ich los muss, um meinen Sohn von der KiTa abzuholen. Den Nachmittag wollen wir in unserem Garten am See verbringen. Ich höre, wie sich unsere Wohnungstür öffnet, mein Freund scheint heute eher von der Arbeit zu kommen.

Als er sich zu mir auf den Balkon setzt, merke ich sofort, dass etwas nicht stimmt.

Nach einem kurzen Moment der Stille erfahre ich, was los ist. Sein Kollege, er war noch recht neu im Team, hatte auf dem Weg nach Hause einen Autounfall. Einen schlimmen Autounfall. Einen tödlichen Autounfall.

Viele Informationen gibt es noch nicht, denn seiner Partnerin durfte keine Auskunft erteilt werden. Rein rechtlich gehört sie nicht zur Familie… Puh. Ich kann nicht anders als mich sofort in ihre Lage zu versetzen. Trotz der Hitze schüttelt es mich.

Ein paar Tage und einige Gespräche später, sind wir zu zwei Erkenntnissen gekommen: 1. Das Leben kann kurz sein. Wir müssen es in vollen Zügen genießen. 2. Wir müssen unsere Familie absichern.

Der Gedanke, dass schlimme Dinge immer nur den anderen passieren, mag ein tröstlicher und zutiefst menschlicher sein. Dass es in der Realität schnell anders kommen kann, ist wohl den meisten von uns schon einmal schmerzlich bewusst geworden.

Sei es ein Unfall, eine Krankheit oder „nur“ eine Trennung: Für viele Situationen kann man vorsorgen und zumindest nach seinen eigenen Wünschen, Regeln definieren, wie es weitergehen soll. Für Angehörige kann das eine enorme Entlastung sein, gerade wenn man bedenkt, dass sie sich vermutlich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden.

So schlimm der Auslöser war, so froh bin ich doch über das Telefonat mit Livia Reuter, das ich wiederum ein paar Tage später führe. Liv ist Anwältin für Familienrecht, vor zwei Jahren hat LAYERS Autorin Anne sie zum Thema Scheidung und Trennung mit Kind befragt. Geduldig hört sich Liv meine Fragen an und gemeinsam beschließen wir, dass es Zeit für ein weiteres Interview ist..

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Alle Fotos von Anne Schwerin.

Liv, mein Freund und ich leben in einer festen Partnerschaft und haben ein Kind. Wir sind allerdings nicht verheiratet. Wie sieht es aus, wenn einer von uns z.B. einen Unfall hat und nicht mehr zurechnungsfähig ist? Dürfte der Arzt/die Ärztin dem anderen Auskunft erteilen?

In Bezug auf euer Kind ist das unkompliziert, da ihr ja sicherlich das gemeinsame Sorgerecht habt, bei dem beide gleichgestellt sind. In Bezug auf den Partner ist es tatsächlich komplizierter, weil ein Lebensgefährte – rein rechtlich – kein Verwandter ist und Ärzte nur Verwandten Auskunft erteilen dürfen. Ein Ehegatte ist dem Verwandten wiederum gleichgestellt.

Wie könnten wir denn für so einen Fall vorsorgen?

Eine Lösung kann hier eine Generalvollmacht sein, die man sich gegenseitig erteilt. Das verbindet man meistens mit einer Patienten- und einer Betreuungsverfügung.

Das Wort „bevollmächtigt“ bedeutet, dass man für den anderen alle Handlungen, für die eine Unterschrift nötig ist, vornehmen darf, wenn er oder sie das selbst nicht mehr kann.

Zum Beispiel Behördengänge, finanzielle Angelegenheiten oder beim Arzt Informationen erhalten und in Behandlungen einwilligen. Man kann hier auch variieren und zum Beispiel festlegen, dass die Generalvollmacht nur für die Gesundheitssorge gilt, aber nicht für Finanzen. Wobei ich immer empfehlen würde, alle Bereiche zu klären, da man ja nicht weiß, wie lange man im Fall der Fälle außer Gefecht ist.

Was genau wird in einer Betreuungsverfügung geregelt?

Die Betreuungsverfügung ist immer eine sinnvolle Ergänzung zu einer Generalvollmacht. Mit einer Betreuungsverfügung bestimmt man für den Fall, dass gerichtlich eine Betreuung angeordnet wird, wer Betreuer:in wird oder wer eben nicht. Besonders das „wer nicht“ ist dabei für viele Mandant:innen ziemlich wichtig.

Brauche ich dann überhaupt noch eine Patientenverfügung?

Ja, die Patientenverfügung ist deine Möglichkeit, einem Arzt, deinem Partner oder einem anderen Familienangehörigen zu sagen, welche Gesundheitssorge du möchtest. Du legst darin zum Beispiel fest, ob du mit künstlicher Beatmung oder anderen lebenserhaltenden Maßnahmen behandelt werden möchtest, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht oder ob du nach deinem Tod deine Organe spenden willst.

Das Dokument ist also durchaus sinnvoll, wenn man seine Angehörigen in einer schlimmen und emotionalen Situation nicht noch mit diesen schwierigen Entscheidungen belasten will.

In einer Partnerschaft halte ich es aber auch für ganz wichtig, dass man schon zu Lebzeiten weiß, was der andere will und dass man einfach über solche Themen spricht, zum Beispiel auch, wie man beerdigt werden möchte. Das persönliche Gespräch mit den Angehörigen ist das A und O!

Sollten wir uns doch für eine Hochzeit entscheiden, ist ein Ehevertrag mittlerweile Standard, oder? 

Nicht unbedingt. Die Ehe ist super geregelt. Im Gegensatz zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in der es außer ein bisschen Rechtsprechung überhaupt keine Regelungen gibt, gibt es für die Ehe Paragraphen über Paragraphen, die das regeln.

Das Erste, was man tun muss, ist, sich bewusst zu machen, was bei einer Scheidung passieren würde.

Und dann muss man sich in seiner konkreten Lebenssituation überlegen, ob man überhaupt eine Abwandlung davon braucht. 

Was man zumindest wissen muss, ist, dass das BGB jetzt über 100 Jahre alt ist. Das Familienrecht ist geschrieben für die klassische „Hausfrauenehe“. Der Zugewinnausgleich und alle Ansprüche, die man bei der Scheidung hat, sind dafür gemacht, den geringer verdienenden vor sozialem Abstieg zu schützen. Wenn man aber eine Ehe führt, in der beide in etwa gleich viel verdienen, könnte man schon einmal prüfen, ob dann nicht vielleicht andere Vereinbarungen zu treffen sind.

Ein weiterer klassischer Fall für einen Ehevertrag ist die Selbstständigkeit.

Ein Arbeitsverhältnis, an dem du gut verdienst, ist kein Vermögenswert – im Gegensatz zu einer Firma, die du aufbaust. Im Fall einer Scheidung gibt es hier einen Ausgleichsanspruch, in dem der Wert dieser Firma berücksichtigt wird, während es das Arbeitsverhältnis nicht wird. 

Es kommt immer sehr auf die jeweilige Situation an. Wenn zum Beispiel eine Frau mit den Kindern zu Hause geblieben ist, sich um den Haushalt gekümmert hat und somit ihr Partner über Jahre eine Firma aufbauen konnte, ist das nicht unfair. Aber wenn du zum Beispiel eine Firma schon mit in die Ehe gebracht hast und der andere keine negativen Auswirkungen von dieser Firma hatte, dann musst du dir schon überlegen, ob das nicht ein Vermögenswert ist, den du komplett raus nehmen möchtest.

Und gibt es noch etwas in Bezug auf die Kinder zu beachten?

Nein, grundsätzlich nicht. Was man aber im Blick behalten sollte, ist, dass sich mit Kindern oft die Lebensplanung ändert. Oft ist es so, dass einer für die Kinderbetreuung ungewöhnlich beruflich zurücksteckt. Wenn man dann einen Ehevertrag hat, der in Zukunft den Ausgleich ausgeschlossen hat oder Unterhaltsansprüche ausschließt oder kürzt, dann passen diese Regelungen sehr wahrscheinlich nicht mehr. Sofern beide einverstanden sind, kann der Vertrag dann angepasst werden.

Hast du Tipps, wie man in einer Partnerschaft diese wichtigen, aber auch sehr emotionalen Themen angeht? Ich würde mich ja am Liebsten davor drücken…

Man könnte es auch so sehen: Vorsorge für sich selbst und seine Liebsten zu treffen ist auch ein Akt der Zuneigung. Wenn man versucht das Thema aus dieser Perspektive zu betrachten, fällt es oft schon gar nicht mehr so schwer. Und man muss sich all dem ja auch nicht allein widmen.

Meiner Erfahrung nach ist es von Vorteil, es gemeinsam mit einem Profi als Moderator anzupacken.

Das Gespräch kann so auf einer komplett sachlichen Ebene stattfinden und es gibt eine Person, die die Themen vorgibt, sicherstellt, dass nichts ausgelassen wird und zugleich fachlichen Input geben und Fragen beantworten kann. Ich habe schon oft erlebt, dass Menschen erstmal mit einem eher schlechten Gefühl in so ein Gespräch kommen und dann aber durch die sachliche Ebene sehr gut besprechen können, was nun z.B. in das Testament soll etc.

Du würdest also mit mir und meinem Partner bei einem Termin all diese Themen gemeinsam durchgehen und dann die entsprechenden Dokumente aufsetzen?

Ja, genau. Ich würde euch fragen, was ihr euch wünscht, was in konkreten Fällen passieren soll. Zum Beispiel: Wer soll sich um euer Kind kümmern, wenn euch etwas passiert? Und eure Antwort bringe ich dann in eine rechtsgültige Form.

Liebe Liv, jetzt haben wir über so viele ernste Themen gesprochen. Zum Abschluss die Frage: Was bereitet dir an deinem Job am meisten Freude? 

Es ist der persönliche Kontakt zu den Menschen. Für mich ist es wichtig zu erfahren, wie meine Mandant:innen ticken und es ist schön, wenn sie sich mir anvertrauen und mir sagen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Es bringt gerade bei Familienangelegenheiten niemanden etwas, höflich um den heißen Brei herumzureden.

Ab und zu fließen da auch mal die Tränen, aber auch dafür möchte ich immer den Raum schaffen und ich freue mich, dass meine Selbstständigkeit mir das ermöglicht hat. 

Und es macht einen Unterschied, dass meine Termine fast alle per Zoom stattfinden. Die Mandanten sind in ihren eigenen vier Wänden und müssen nicht in irgendwelche repräsentativen Kanzleiräume kommen. So hat man noch eher die Möglichkeit, zu jemandem vorzudringen. 

Das hört sich gut an. Ich glaube, wir müssen mal einen Termin vereinbaren… 

Mehr über Liv und ihr Angebot erfahrt ihr auf ihrer Homepage. Unser erstes Interview zum Thema Scheidung oder Trennung mit Kind mit vielen wertvollen Hinweisen von Liv findet ihr hier. Folgt Liv für weitere nützliche Tipps auch gerne auf ihrem Instagram-Account.

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