Let’s talk about money, baby: Und, wie viel verdienst du so?

Autorin Pia fragt sich, warum „man nicht über Geld spricht“

Ich sitze bei Sushi und Wein mit Freundinnen in einem meiner Lieblingsrestaurants. Der Abend ist lang, die Gespräche tief. Irgendwann sagt Lisa (*Name geändert) etwas über Geld, über die steigenden Lebensunterhaltungskosten und dass sie überlege, mehr zu sparen. Ich frage in diesem Zusammenhang, ohne groß darüber nachzudenken: „Wie viel verdienst du eigentlich als Lehrerin?“ Stille. Meine Freundinnen schauen mich an, als ob ich gefragt hätte, ob sie mit mir jetzt nackt über die Straße laufen mag. „Warum willst du das wissen?“, fragt sie mich. Sie wirkt fast verärgert. „Es erscheint mir in dem Kontext unseres Gesprächs irgendwie relevant“, antworte ich verunsichert, achselzuckend. Anne antwortet kurz: „Das kannst du im Internet nachlesen. Über Geld spricht man nicht“, und wechselt das Thema.

Ich bin verwirrt. Warum erzählt sie mir zuvor in Gesprächen von ihren sexuellen Erfahrungen und intimen Familien-Details, aber nennt mir nicht ihr Gehalt? Ich nehme mir vor, meine Mitmenschen öfter mal auf Geld anzusprechen. Ich bin neugierig geworden. Bisher war Geld für mich das Mittel für den Lebensunterhalt, einen schönen Alltag und um meiner Leidenschaft, dem Reisen, nachzugehen. Kein Geheimnis und nicht mehr als Münzen, Scheine, Zahlen, Plastikkarten und ein Wort mit lustigen Synonymen. Asche, Kröten, Zaster, Kohle, Mäuse, Knete, Kies, Schotter, Moos, Flocken… Ganz schön viele Wörter für ein Thema, über das „man nicht spricht“, oder?

„Warum erzählt sie mir von ihren sexuellen Erfahrungen, aber nennt mir nicht ihr Gehalt?“

Ein deutsches Tabuthema?

„Sag mal, was verdienst du eigentlich?“, frage ich nach meinem Erlebnis nun öfter. Die meisten Menschen in meinem Familien-, Bekannten- und Verwandtenkreis sind überrascht, gefragt zu werden. Viele antworten zögerlich mit einer Zahl. Ich höre aber auch wage Antworten wie „Es ist vierstellig, haha“, „Genug“ oder „Mehr als mein Mann, das reicht mir“. Eine Verwandte, die ein Haus gekauft hat und mir über viele Minuten von Einzelheiten wie Fliesen, Terrassen, Quadratmetern und Fenstern erzählt, scheint gerade zu empört darüber, als ich nachfrage wie viel sie das Eigentum kostet und sagt schließlich genervt: „Na rate doch mal“. Sie alle scheinen sich unsicher, fast ertappt, aber auf jeden Fall unwohl zu fühlen, wenn ich sie nach Finanzen frage, obwohl wir uns sonst nahestehen.

Eine kurze Recherche bestätigt mir mein Empfinden. Laut einer Umfrage der Postbank ist Geld für über 60 Prozent der Deutschen ein Tabu-Thema. Geschlechter übergreifend und in allen Altersklassen. Im weltweiten Vergleich stehen wir damit ganz oben. In anderen Ländern gehört das Gespräch über das Einkommen ganz emotionslos sogar zum Small Talk wie zum Beispiel in den USA. In Schweden und Norwegen wird bei der Arbeit ganz offen über die Höhe der Gehälter aller Mitarbeitenden gesprochen. Die Consorbank will in einer Studie sogar herausgefunden haben, dass 59 Prozent der Deutschen nicht mal wissen, was ihr Partner oder ihre Partnerin verdient.

„59 Prozent der Deutschen wissen nicht was ihr Partner oder ihre Partnerin verdient.“

Staatsgeheimnis Finanzen

Wenn ich meine Bekannten frage, warum die Frage nach ihrem Einkommen ihnen Unbehagen bereitet, haben die meisten darauf gar nicht so richtig eine Antwort oder sie lautet „weil man nicht über Geld spricht“. Eine Redensart, die viele von uns offensichtlich seit Kindertagen so oft gesagt bekommen haben, dass wir sie einfach, ohne zu hinterfragen, als eine Art Gesetzmäßigkeit leben. Auch in der Schule beschränken sich Finanzthemen meist auf Währungsrechnungen in Mathematik. Kein Wunder, gleichen unsere Finanzen einer Art Staatsgeheimnis. Doch auch arbeitsrechtlich spricht einiges für Verschwiegenheit. In vielen Jobs in Deutschland unterschreiben Angestellte mit ihrem Arbeitsvertrag oft eine Verschwiegenheitsklausel zu ihrem Gehalt. Nicht, dass sich die KollegInnen noch unterhalten und merken, dass bei gleicher Arbeit unterschiedlich verdient wird, wo kommen wir denn da hin? Etwa ein Stück weiter Richtung Gleichberechtigung?!

Und dann sind da sicher noch die offensichtlichen Gründe wie Neid und Scham, die uns weiterhin zum Schweigen bringen. Vielleicht ist uns unser Gehalt unangenehm, weil es uns zu niedrig erscheint, vielleicht haben wir Angst, dass die beste Freundin mehr verdienen könnte oder eventuell erscheint es uns sogar protzig, viel zu verdienen? Bescheidenheit gilt doch immer noch als sympathisch. Wer also bescheiden mit seinem Geld umgeht, muss eine nette Person sein? Diese Bescheidenheit kann jedoch zum Problem werden.

„Check your Privilege“

Warum das so ist, erfahre ich von Otegha Uwagba. Der Titel ihres Buches könnte nicht passender sein: „Wir müssen über Geld sprechen – Frauen Finanzen und Freiheit.“ Die Journalistin schildert darin, wie abhängig Wohlstand und Chancen von der Herkunft und Identität einer Person sind und warum wir deshalb unbedingt darüber reden sollten. Laut der Autorin beeinflusst das liebe Geld schließlich, wo und wie wir wohnen, auch mit welchen Menschen wir zusammen sind oder was wir essen, was wir in unserer Freizeit tun und welche Chancen wir im Job haben. Es gehe dabei nicht nur um das Geld als solches, sagt die Autorin, sondern um Privilegien und Möglichkeiten. „Check your Privilege!“ Denn: Nicht alle haben die gleichen Startbedingungen. Auch die Hautfarbe und das Geschlecht beeinflussen, was wir verdienen.

„Auch die Hautfarbe und das Geschlecht beeinflussen, was wir verdienen.“

An eigenem Leib erfuhr die junge Frau wie klassistisch, rassistisch und sexistisch die Arbeitswelt sein kann. Dass Männer in einem Großteil der Fälle für gleiche Arbeit immer noch besser bezahlt werden als weibliche Kolleginnen, ist wohl kein Geheimnis. Genauso wie der Fakt, dass in Führungsetagen überdurchschnittlich viele weiße Männer anzutreffen sind. Strukturelle Missstände und Ungerechtigkeit lassen sich jedoch nicht ändern, wenn wir darüber schweigen. Doch unsere Gesellschaft urteilt über Menschen mit wenig Geld, erklärt Otegha Uwagba. Armut stehe oft für Faulheit, Dummheit, fehlende Ambitionen, so die Autorin. Menschen schweigen also, aus Angst, in den Augen des Gegenübers wenig zu verdienen, faul oder dumm zu wirken. Strukturelle Faktoren werden dabei vollkommen außer Acht gelassen, sagt sie.

Über Geld spricht man doch!

Doch auch Menschen mit viel Geld schämen sich dafür, führt Uwagba aus. Das seien häufig Menschen, die sich der Ungerechtigkeit unseres Systems bewusst sind. Sie haben das Gefühl, „Teil des Problems“ zu sein und schämen sich, darüber zu sprechen. Das Verheimlichen von Privilegien in Form von beispielsweise Erbschaft oder finanzieller Unterstützung, die wiederum dazu führen, dass sich Menschen einen Hauskauf ermöglichen können oder beruflich aufsteigen, ist schwierig. Es führe laut der Journalistin dazu, dass Menschen ohne diese Privilegien möglicherweise daran verzweifeln, diese Meilensteine nicht zu erreichen. Otegha Uwagba sagt, wir müssen uns klar machen, dass Menschen im Leben nicht die gleichen Chancen haben und nicht alle alles schaffen können, wenn sie hart genug arbeiten. Die Eigentumswohnung oder der Fuß in der Tür des Vorstandes ist keineswegs (nur) der Verdienst eigener Leistungen und Fleiß.

Für dieses Bewusstsein ist es also nötig, dass wir nicht länger sagen: „Über Geld spricht man nicht“, sondern „Über Geld spricht man doch!“ Und vielleicht fragen wir unsere Mitmenschen dann nicht nur öfter nach Finanzen, sondern auch darüber wie glücklich sie sind. Denn diese Währung ist doch mindestens genauso entscheidend wie die der Kröten, Mäuse und Flocken oder?

Auf LAYERS begibt sich Pia auf die Suche nach der perfekten neuen Arbeitswelt. Wie sieht ein produktives Home Office aus, sollten wir unsere Kinder bei einer Bewerbung verheimlichen und warum redet eigentlich keiner offen über Geld? All diesen und vielen weiteren Fragen rund um das Thema New Work geht Pia nach.

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