Die Freiheit, es besser zu machen

Die Welt nach der Corona-Pandemie war bereits in ihren ersten Zügen im Jahr 2020, Gegenstand optimistischer Hoffnungsprosa: Der Zukunftsexperte Matthias Horx freute sich über eine stärker miteinander verbundene Gesellschaft, in der Vermögen eine weniger große Rolle spielen sollte. Die niederländische Trendforscherin Li Edelkoort sah von dem Virus gar eine „Quarantäne des Konsums“ ausgehen, die Menschen hälfe, sich an weniger Besitz und Reisen zu gewöhnen.

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Im Sommer 2021 scheint es mit der Pandemie tatsächlich erst einmal vorbei zu sein. Zwar erinnern uns Virusmutationen und der Klimawandel an die zarte Natur des Friedens, aber wer mag schon an die Vergänglichkeit denken, wenn Blüten durch die Luft schwirren und überall die Gläser klirren?

Vielleicht sollten wir es zumindest versuchen, denn in einem haben alle Zukunftsoptimisten womöglich Recht: Eine Pause bietet immer Chancen für einen Neuanfang… na gut, sagen wir, eine Kurskorrektur. Wie aber können wir diese großartige Chance und den Sommer gleichzeitig nutzen?

„Eine Pause bietet immer Chancen für einen Neuanfang.“

Die folgenden Tipps mögen auf den ersten Blick banal wirken und gerade einmal an den Rückschritten ansetzen, die wir durch die Pandemie eingegangen sind. Sie können uns aber auch, je nachdem wie weit wir es treiben, als Steilvorlage in ein neues Kapitel dienen, das seinen Namen verdient.

1. Auf dem Markt einkaufen und selbst kochen statt Liefern lassen

Die Corona-Pandemie hat Essens-Lieferdiensten und Supermarkt-Lieferungen zu neuen Höhen verholfen, 2020 etwa stieg der Umsatz vom Lieferando Mutterkonzern um 60 Prozent, gleichzeitig wurden immer mehr bekannt über wachsenden Druck auf die MitarbeiterInnen der Unternehmen und die wachsenden Berge von Müll. Der private Abfall ist während der Lockdowns spürbar gestiegen.

Dieser Sommer lädt uns ein, wieder Märkte in der Stadt und in der Nachbarschaft zu besuchen, und dort frisches Gemüse aus regionalem Anbau oder Wein aus dem Saale-Unstrut Anbaugebiet zu kaufen. In Leipzig gibt es wunderbare Bauernmärkte in der Innenstadt, aber auch in allen großen Vierteln.

2. Bars besuchen und alle Freunde wieder treffen statt Netflix

Die Gastronomie wäre an der Pandemie beinahe zugrunde gegangen, manche unserer Freundschaften aber auch. Nicht zuletzt haben wir in der Einsamkeit des Lockdowns tonnenweise CO2 in den Rechenzentren der Streaming-Anbieter freigesetzt, während Brauereien Fässer voller Bier wegkippen mussten. Wir sollten also schleunigst wieder raus und den Bierumsatz ankurbeln, um die Sache vergessen zu machen.

3. Paddeln gehen statt Zoomen

„Kannst du mich hören?“

Nein, schon lange nicht mehr. Mittlerweile kleben wir wieder diese blöden Sticker auf unsere Laptops, denn unser Körperumfang hat wegen Lieferando-Pizza und Netflix ungeahnte Ausmaße angenommen. Deswegen diesen Sommer zu einer Phase der Askese nach einer solch furchtbar enthaltsamen Zeit zu erklären, kann aber der richtige Weg nicht sein. Ein möglicher Ausweg: Paddeln! Der Kanuverleih am Stadthafen in Leipzig und am Klingerweg haben wieder offen und werden bereits überrannt. Tolle Touren führen entweder durch den Karl-Heine-Kanal (Verbindung zu Punkt 2) oder gleich über die Weiße Elstern Richtung Süden Richtung Zeitz. Und dort gibt es zu Belohnung wunderbaren Weißwein und Essen wie am Mittelmeer.

4. Urlaub in der Region statt Fliegen ins Irgendwo

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Die Lockdowns haben viele Urlaubsorte auf der Welt vereinsamen lassen, gleichzeitig träumten viele davon, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Noch im April 2021 traute sich Venedig ein Verbot der wahnsinnigen Kreuzfahrtschiffe direkt in der Stadt. Bereits im Juni legte das erste Riesenschiff wieder an und die Lufthansa überlegt wegen des Ansturms auf Mallorca, Jumbosets einzusetzen. Dabei könnten wir es jetzt doch anders machen. Wie wäre es mit einer Busreise nach Posen (4 Stunden) oder einer Radtour an die Ostsee (29 Stunden)? Statt nach Italien zu fliegen, können wir auch dem Zug eine Chance geben und dabei einen Zwischenstopp in München. (Leipzig – Verona, 9 Stunden, ab 60 Euro) Wir könnten aber auch einen Abstecher in die chillige Provence unternehmen. (Leipzig – Avignon, 12 Stunden, ab 198 Euro).

Vielleicht also hatten all die ZukunftsforscherInnen ja doch Recht mit ihren optimistischen Prognosen: Die Freiheit, diese Welt ein bisschen besser zu machen, haben wir jedenfalls nicht verloren.

Fotos: Austrian National Library

Als Autor und freier Journalist ist Richard mit der Forschung am guten Leben beschäftigt. Er war Mitgründer des transform Magazins und arbeitete dort in der Chefredaktion bis 2019. Anschließend erschien von ihm das Taschenbuch Landreisen. Weitere Veröffentlichungen von Richard sind zu finden bei GEO Saison, der Freitag oder ze.tt (ZEIT Online). Für LAYERS schreibt er über aufregende Reisen, die Schönheit der Langsamkeit im Alltag und das Leben als frisch gebackener Papa.

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