„Es gibt kein Verbot für alte Leute, auf Bäume zu klettern.“ – Astrid Lindgren
Nichtsahnend rolle ich an einem sonnigen Samstag mit meinem Stadtrad leise klappernd auf dem Weg zum Einkaufen an einem Spielplatz vorbei. Ich brauche noch ein paar Zutaten für die Brownies, die es bei mir jeden Sonntag zum Frühstück gibt. „Ich trau mich nicht!“, ruft ein kleiner Junge, vor einem Klettergerüst stehend, und sieht seiner Freundin neidisch bei ihren akrobatischen Verrenkungen an der höchsten Stange zu. „Los, versuch es doch mal!“, ruft diese nach unten. Na los, denke auch ich, versuch es! Und konzentriere mich dann schnell wieder auf die Pflastersteine vor mir.
Wann habe ich selbst eigentlich das letzte Mal etwas völlig Neues, etwas zum allerersten Mal versucht?
Was Neugier betrifft, wird mir in diesem Moment bewusst, kann ich mir tatsächlich etwas von den Kleinsten unter uns abschauen. Während Kinder jeden Tag ihre Grenzen entdecken, sich ständig weiterentwickeln und dabei immer wieder dazulernen, versinke ich – ohne es zu merken oder überhaupt zu wollen – mit jedem neuen Jahr meines Erwachsenenlebens immer tiefer in Routinen.
Versteht mich nicht falsch – Routinen sind nichts Schlechtes. Jedenfalls die Guten. Sie helfen, die Übersicht zu behalten, bieten Struktur und Sicherheit und können sogar die Produktivität steigern (Quelle 1).
Trotzdem: Zwischendurch ist es sinnvoll, sich immer mal wieder an etwas Neuem zu versuchen, die eigenen Routinen und das alltägliche Denken zu durchbrechen und dabei vielleicht sogar die Komfortzone zu verlassen. Klingt erstmal anstrengend!
Aber tatsächlich ist es so, dass Neues versuchen für die Ausschüttung von Dopamin sorgt – im Alltag häufig als Glückshormon bezeichnet (Quelle 2) – und uns hilft, uns weiterzuentwickeln, gesund zu bleiben oder beispielsweise unsere Kreativität zu fördern.
Expert:innen der Neurobiologie nennen noch viele weitere Vorteile: Neue Sinneseindrücke und das Erlernen neuer Dinge halten das Gehirn fit und können so z.B. Demenz vorbeugen (Quelle 3).
Außerdem kann das Selbstbewusstsein gesteigert werden, indem man mehr über die eigenen Stärken und Schwächen herausfindet. Die mentale Gesundheit wird verbessert und lösungsorientiertes Denken sowie Konzentration werden gefördert (Quelle 4).
Klingt ja alles vielversprechend, aber wie und wann soll ich dafür nun Zeit
finden?
Erstmal will ich euch – und mich – beruhigen: Zum Glück muss es nicht schwer sein.
Während das Erlernen einer neue Sprache (Quelle 5) oder eines neuen Instruments (Quelle 6) tatsächlich den Kopf jung und fit hält, da neue Nervenverbindungen geknüpft werden, aber gleichzeitig entsprechend viel Zeit und Energie erfordern, können wir ebenso gut mit kleinen Dingen im Alltag unser Gehirn trainieren!
Neues entdecken kann und vor allem soll auch wirklich Spaß machen! Diese vier Ideen könnt ihr leichter umsetzen:
Idee 1: Spiel‘ mal wieder!
Etwas, das Kinder besonders gerne tun und womit sie unterbewusst lernen und ihre Kognition verbessern, ist das Spielen. Als mich meine 9-jährige Cousine fragt, ob ich mit ihr ein neues Würfelspiel probieren möchte, zögere ich erst. Mir ein neues Spiel aneignen, eine trockene fünfseitige Anleitung lesen und dann auch noch den Kopf anstrengen und Würfelaugen zusammenzählen? Wenig überzeugend. Aber dann denke ich an mein möglicherweise schrumpeliges und vergessliches 80-jähriges Ich und wie ich ganz theoretisch schon jetzt Alzheimer vorbeugen könnte, indem ich neue Spiele lerne und allgemein Spiele spiele…
Wenige Minuten später würfeln und rechnen meine kleine Cousine und ich um die Wette.
Ich bin ein bisschen stolz, dass ich mich darauf eingelassen habe – obwohl ich natürlich gnadenlos verliere.
Es hat sogar mehr Spaß gemacht, als gedacht. Das Mädchen neben mir strahlt stolz, während ihre kleinen Hände schon nach dem nächsten Spiel greifen. Bei ihr bin ich mit meinem neuen Vorsatz auf jeden Fall richtig.
Idee 2: Ab in die Küche!
Idee Nummero 2, diesmal für alle, die gerne Kochen: Es ist zwar toll, wenn ihr ein Gericht so gut beherrscht, dass allen Anwesenden jedes Mal das Wasser im Mund zusammenläuft, aber zwischendurch immer mal ein ganz anderes Rezept auszuprobieren, ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, etwas Neues zu versuchen. Vielleicht überrascht ihr damit ja nicht nur eure Familie oder Freund:innen positiv, sondern auch euch selbst und bald gibt es statt der Lasagne ab jetzt immer häufiger Kichererbsencurry mit Reis?
Idee 3: Move your body!
Kochen ist nichts für euch, aber dafür braucht ihr gerade noch diesen einen letzten Motivationskick, um die eine neue Sportart auszuprobieren? Bitteschön, hier kommt die dritte Idee: Dass Bewegung fit hält, ist natürlich nichts Neues, aber wusstet ihr, dass damit nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Fitness gemeint ist?
Eine moderate Belastung kann die Blutversorgung bereits um 30 Prozent steigern, was sich positiv auf Konzentration und Kreativität auswirkt. (Quelle 7)
Wenn ihr euch jetzt aber nicht plötzlich zwischen herabschauenden Hunden im Yogastudio seht und euch ebenso wenig nach zwei Monaten Warteliste für den überteuerten Schwimmverein sehnt, um euch dann direkt für zehn Montagabende zu commiten – warum nicht regelmäßig(er) 15 Minuten spazieren? Vielleicht gibt es ja einen Park, in dem ihr noch nicht wart? Insbesondere das Orientieren an neuen Orten trainiert die Gedächtnisleistung. Außerdem: Ob Pilates, Tennis oder Fitnessstudio – oft gibt es auch kostenlose Probestunden. Ganz ohne Verpflichtungen!
Idee 4: Musik an!
Kopfhörer rein oder Radio an – mit Idee Nummer kommt damit eine weniger aktive sondern eher entspannende Möglichkeit, etwas Neues zu probieren. Wenn bei dir also genau wie bei mir beim (neues Rezept) kochen oder (neue Runde) laufen im Hintergrund immer Musik oder Podcasts laufen:
Wie wäre es dann mal mit einem ganz neuen Genre? Oder vielleicht einem Podcast?
Und wenn ihr bereits fleißige Hörer:innen seid, ob True Crime oder Wissen to go: Warum nicht mal ein ganz neues Thema? Gleiches gilt natürlich auch für Bücher oder Serien.
Zurück im Supermarkt
An jenem Tag greife ich im Supermarkt doch nicht nach der Schokolade für Brownies, sondern marschiere direkt zum Frischkäseregal. Ich habe mich zu meiner eigenen Verwunderung für ein ganz neues Rezept entschieden, eines, das ich überhaupt noch nie vorher versucht habe. Mal sehen, ob mir ein New York Cheesecake gelingt!
Und wenn nicht – dann hab ich es zumindest versucht!
Quellen
Quelle 1: Wie du die Macht der Routinen für dich nutzt Quelle 2: Aus der Gehirnforschung: Mehr Glück durch neue ErlebnisseQuelle 3: Geistig fit bleiben: Mit Gedächtnistraining Gehirnleistung erhalten
Quelle 4: Gehirnjogging: Vorteile und Übungen
Quelle 5: Wie beeinflusst das Erlernen neuer Sprachen das Gehirn?
Quelle 6: Mit einem Instrument das Hirn fit halten
Quelle 7: Warum Sport das Gehirn jung hält und sogar vor Alzheimer schützen kann