Sind das schon die Wechseljahre?

Interview mit Dr. med. Dörte Pfau und Dr. med. Marajke Prothmann

Die Wechseljahre? – Das kommt irgendwann mit 50, dachte ich früher. Mit meinen sweet 40 und gefühlten 35 Jahren – wenn überhaupt – geht mich das ja wohl noch gar nichts an!
Mit meiner Mama kann ich über das Thema nicht wirklich sprechen. Sie wurde mit 42 künstlich in die Wechseljahre versetzt, weil sie Brustkrebs hatte. Vorher war sie mit uns drei kleinen Rackern beschäftigt und hatte wenig Zeit, in ihren Körper hineinzufühlen. Sie kann sich jedenfalls heute nicht erinnern, dass sie in meinem Alter „irgendwas gemerkt“ hat.

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Foto: Christina Wille

Weder mein geschätzter Hausarzt noch meine frühere Frauenärztin haben mich je zum Thema Wechseljahre aufgeklärt.

Kein Wunder – das Thema kommt, warum auch immer, im Medizinstudium so gut wie gar nicht vor. Dass ich heute weiß, dass es mich doch schon betrifft, habe ich – und darüber werden einige Mediziner*innen unter euch jetzt nicht so begeistert sein – Instagram, YouTube und Google zu verdanken.

Irgendwann wurden mir die einschlägigen Menopausen-Influencerinnen wie Sheila de Liz oder Judith Bildau einfach in den Feed gespült. Ärztinnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Frauen darüber aufzuklären, was hormonell in unserem Körper passiert – und zwar zehn bis fünfzehn Jahre vor der letzten Regelblutung.

Und plötzlich begann vieles in meinem Leben Sinn zu ergeben: Die Schlafstörungen, die mich seit Jahren quälen – doch kein bloßes Relikt der Stillzeit? Die Hand-, Fuß- und Kniegelenke, die mir plötzlich ohne ersichtlichen Grund tagelang wehtun – doch nicht nur Symptome meines allgemeinen, unvermeidlichen körperlichen Verfalls?

Jeden Monat zwei Wochen PMS mit explosiven Brüsten und dann eine viel zu starke Regelblutung – doch nicht nur Schicksal, sondern vielleicht einfach Zeichen eines Hormonmangels, gegen den man auch etwas tun kann?

So bin ich schließlich auf die Seite der Deutschen Menopause-Gesellschaft gestoßen. Dort gibt es ein Verzeichnis mit Expertinnen zum Thema Wechseljahre. Und siehe da: Auch in Leipzig habe ich gleich mehrere Ärztinnen gefunden, die sich auf das Thema Menopause spezialisiert haben. Eine davon ist Dr. med. Dörte Pfau – meine neue, superkompetente und nette Frauenärztin – und zufällig auch noch Mami eines Kitakumpels meines Sohnes.

Dank Dörte wird es mir beim Frauenarztbesuch wahrscheinlich nie wieder langweilig werden. Und heute nehme ich euch mit. Um euch bestmöglich zum Thema Menopause und Perimenopause zu informieren, ist außerdem Dörtes Kollegin und Praxisinhaberin Dr. med. Marajke Prothmann bei unserem Gespräch dabei. Auch sie setzt sich aktiv dafür ein, Frauen im Praxisalltag, aber auch in den Medien, über diese wichtige Lebensphase aufzuklären und ein realistisches Bild möglicher Handlungsoptionen zu vermitteln.

Also bleibt dran, wenn ihr in euren späten 30ern oder 40ern seid und Symptome habt, die ihr euch nicht erklären könnt.

Denn das, was jetzt folgt, könnte für eure Lebensqualität in den nächsten Jahren echt wichtig sein.

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Foto: Anne Schwerin

Dörte und Marajke, erst mal vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt, um im LAYERS mag über das Thema Wechseljahre zu sprechen. Warum verändert sich unser Körper ab Mitte 30 bzw. 40 überhaupt so stark? Was hat sich die Natur bloß dabei gedacht?

Dörte: Mein Erklärungsansatz ist, dass Frauen früher nur 50 oder 60 Jahre alt wurden. Ein Großteil des Lebens war die fertile Phase. Ursprünglich war die Zeit danach von der Natur nicht vorgesehen. Wenn wir bis ins hohe Alter Kinder bekommen könnten, wären wir schließlich gar nicht in der Lage, diesen Nachwuchs noch aufzuziehen. Nur ganz wenige andere Arten, wie z. B. Wale und Schimpansen, leben zehn bis fünfzehn Jahre über die fruchtbare Phase hinaus.

Marajke: Auf der anderen Seite gab es immer, in allen Kulturen, auch Frauen, die sehr alt geworden sind, und die ihre Lebenserfahrungen weitergegeben haben. Irgendeinen Sinn muss es geben, dass die weiblichen Menschen über ihre fruchtbare Lebensphase hinaus leben. Tatsache ist: Wir kommen mit einem begrenzten Vorrat an Eizellen auf die Welt. Dieser Vorrat ist irgendwann aufgebraucht. Das heißt, dass wir nicht mehr schwanger werden können. Heute können wir – sei es mit oder ohne Hormonersatztherapie – auch nach der Menopause noch 35 Jahre gesund weiterleben. Aber wir müssen natürlich etwas für diese Gesundheit tun.

Könnt ihr für unsere Leserinnen kurz erklären, was eigentlich der Unterschied zwischen Menopause und Perimenopause ist?

Marajke: Die Perimenopause ist die Übergangsphase vor der Menopause, in der der Hormonhaushalt schwankt und verschiedene körperliche sowie seelische Symptome auftreten können – so etwa ab dem 40. Lebensjahr. Die Menopause bezeichnet eigentlich nur den Zeitpunkt der letzten Regelblutung, der erst rückwirkend festgestellt wird, wenn zwölf Monate lang keine Periode mehr aufgetreten ist. Danach beginnt die Postmenopause, in der der Östrogenspiegel dauerhaft niedrig bleibt und viele Beschwerden allmählich nachlassen.

Dörte: Und dann gibt es noch den Begriff „Wechseljahre“. Der ist ziemlich schwammig. Oft wird er im Kontext der Zeit nach der Menopause verwendet. Letztendlich ist es ein Überbegriff für die Jahre der hormonellen Veränderung.

Viele unserer Leserinnen sind in ihren 30ern und 40ern. Was sind typische Symptome, die auf den Beginn der Perimenopause schließen lassen?

Dörte: Viele Frauen denken beim Thema Wechseljahre vor allem an Hitzewallungen und Nachtschweiß. Dieses sind typische Zeichen für Östrogenmangel und können zwar bereits phasenweise auch in der Perimenopause auftreten, kommen dann aber oft erst so richtig, wenn der Eizellvorrat ganz aufgebraucht ist und der Körper gar kein Östrogen mehr hat.

Schon um das 40. Lebensjahr, manchmal auch früher, sinkt durch den schwindenden Eizellvorrat der basale Östrogenspiegel.

Das Gehirn will hier gegenregulieren und schüttet vermehrt FSH aus. Dadurch kommt es zu teils enormen hormonellen Schwankungen, die viele Regulationsprozesse im Gehirn durcheinanderbringen. Außerdem lässt die Versorgung mit Progesteron nach – dem Gelbkörperhormon, das ausgeschüttet wird, wenn es zum Eisprung kommt. Bleibt dieser immer häufiger aus und nehmen die Schwankungen zu, leiden Frauen z. B. unter massiven Schlafstörungen – dem Gefühl, nachts wie „angeknipst“ zu sein. PMS und Regelblutung können sich verstärken. Muskel- und Gelenkschmerzen treten häufiger auf. Manche Frauen fühlen sich sehr niedergeschlagen, leiden unter plötzlichen Ängsten und haben das Gefühl, „sich selbst nicht wiederzuerkennen“.

Warum sind so viele Frauen darüber nicht aufgeklärt?

Marajke: In den 80er und 90er Jahren haben viele Frauen eine Hormonersatztherapie genutzt. Nach der Publikation einer Studie der Women’s Health Initiative im Jahr 2002 ist die Verordnung der HRT extrem zurückgegangen. In der Studie gab es Hinweise darauf, dass bestimmte Hormonpräparate – hochdosiert bei älteren Patientinnen – das Krebsrisiko erhöhen. Eine ganze Generation von Frauenärzt*innen ist damit aufgewachsen, dass die HRT generell mehr Risiken als Nutzen mit sich bringt.

Später wiesen die Autor*innen der Studie selbst darauf hin, dass die Ergebnisse von Medien, aber auch von Ärzt*innen vielfach fehlinterpretiert wurden. Das Medikament, das in der Studie in hoher Dosis verabreicht wurde, wird in Deutschland normalerweise nicht eingesetzt. Inzwischen wurden die positiven Aspekte der Hormonersatztherapie ebenfalls beleuchtet.

Dörte: Ich glaube, es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die sich mit dem Thema befassen. Aber es wird nicht so publik gemacht.

Marajke: Insgesamt steckt die Gendermedizin noch in den Kinderschuhen.

Der Blick auf die Frauengesundheit verändert sich zum Glück zunehmend, die Unterschiede in der Entstehung und Therapie von Erkrankungen im Gegensatz zu Männern erfahren viel mehr Beachtung.

Die Symptome von Frauen mit Wechseljahresbeschwerden sind sehr unterschiedlich. Nicht selten wurden sie zuvor falsch diagnostiziert. Dementsprechend individuell muss die Behandlung und Dosierung erfolgen.

Dörte: Wir erleben auf jeden Fall, dass die Frauenmedizin heute mehr in den Fokus rückt. Es gibt immer mehr Frauenärztinnen – und auch ganz interessant: Über 95 % von ihnen würden selbst bioidentische Hormone nehmen, wenn sie Beschwerden haben.

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Foto: Christina Wille

Das ist wirklich ein sehr interessanter Aspekt. Insbesondere durch Social Media erfahren immer mehr Frauen von den positiven Aspekten einer Hormonersatztherapie. Ich habe eure Praxis auch letztendlich dadurch gefunden. Macht sich das auch bei euch im Praxisalltag bemerkbar?

Marajke: Die Kommunikation zwischen Ärztinnen und Patientinnen hat sich definitiv verändert. Wir merken schon, dass sich Frauen heute viel intensiver mit ihrem Zyklus beschäftigen und z. B. viel kritischer gegenüber hormoneller Verhütung sind. Die Erwartungshaltung an eine HRT ist aufgrund von Social Media und Büchern enorm hoch.

Dörte: Teilweise werden im Internet auch teure Kurse oder Nahrungsergänzungsmittel beworben. Da sollte man auf jeden Fall vorsichtig sein.

Marajke: Es gibt aber auch noch viele Frauen, die gar nicht über die Wechseljahre informiert sind. Die kommen mit extremen Hitzewallungen und wissen gar nicht, was eigentlich los ist. Manchmal kommt es uns vor, als ob wir da in zwei Welten unterwegs sind.

Welche Erwartungen an eine HRT sind denn realistisch?

Dörte: Manche Frauen erhoffen sich, dass sie ein bestimmtes Medikament nehmen und dann wieder alles wie früher ist. Eine HRT kann die Zeit aber nicht anhalten oder zurückdrehen.

Man fühlt sich nicht wieder wie 25 – selbst wenn man Hormone nimmt, Sport macht und seine Ernährung umstellt. Aber viele Symptome können gelindert werden.

Marajke: Wir sehen den Hype um die HRT kritisch. Es ist nicht so, dass man nicht auch ohne HRT gesund alt werden kann. Hier spielen eine gesunde Ernährung, Bewegung, das Meiden von Alkohol und Nikotin sowie die Reduktion von Stress eine mindestens genauso große Rolle. Und auch bei der HRT gibt es nicht die eine Lösung für alle – wir müssen genau schauen, was der jeweiligen Frau wirklich hilft. Einen rein präventiven Einsatz der HRT kann man jedenfalls – zumindest nach aktueller Datenlage – nicht empfehlen.

Dörte: Und es sollten auch nicht alle Probleme allein auf einen möglichen Hormonmangel zurückgeführt werden.

Die Perimenopause fällt in eine Zeit, die generell sehr herausfordernd ist – wir ziehen oft noch Kinder groß und möchten uns beruflich verwirklichen.

Dazu kommen die hormonellen Veränderungen. Das führt dazu, dass die Leistungsfähigkeit schwankt – und unter Umständen sinkt. Die Arbeitswelt müsste sich eigentlich darauf einstellen. Frauen, die unter Schlafstörungen leiden, sollten z. B. nicht im Schichtsystem arbeiten müssen.

Zum Schluss noch ein paar häufig gestellte Fragen:

Wie viel Sinn macht es, den eigenen Hormonstatus zu testen?

Dörte: Der Zyklus ist jeden Monat individuell. In der Perimenopause kann in einem Monat ein Eisprung stattfinden und im nächsten nicht – je nachdem ist der Körper dann z. B. mit Progesteron versorgt. Der Östrogenspiegel kann von Zyklus zu Zyklus enorm schwanken. Ein Test ist deshalb immer nur eine Momentaufnahme.

Eine ausführliche Anamnese ist hier wesentlich wichtiger. Statt viel Geld für Tests von Online-Anbietern auszugeben, macht es also viel mehr Sinn, sich eine Frauenärztin zu suchen, die sich mit dem Thema wirklich auskennt, um gemeinsam zu schauen, was hilft – und die Therapie bei Bedarf später anzupassen.

Erhöht die Hormonersatztherapie das Krebsrisiko?

Marajke: Ja, nach aktuellen Studien erhöht sie das Risiko für einige Krebsarten leicht, bei anderen senkt sie es. Sie mindert zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und hilft, vielen altersbedingten Beschwerden vorzubeugen.

Wichtig: Die Gesamtmortalität der Frauen sinkt mit einer HRT, das heißt, dass die Frauen, die sich für die Hormone entscheiden, länger leben.

Hier muss man aber selbstverständlich individuelle Risikofaktoren der Frauen und mögliche Kontraindikationen berücksichtigen, damit die Frauen von der HRT profitieren.

Warum heißen die neueren Hormon-Präparate „bioidentische Hormone“?

Dörte: „Bioidentisch“ bedeutet, dass ihre chemische Struktur mit der Struktur der körpereigenen Hormone identisch ist – auch wenn sie aus Pflanzen wie z. B. Yamswurzel oder Soja hergestellt werden. Sie sollen dadurch besonders gut verträglich sein.

Was muss man tun, wenn – wie in meinem Fall – Brustkrebs gehäuft in der Familie auftritt?

Marajke: In dem Fall muss man sich die Familienanamnese genau anschauen, ggf. schicken wir die Patientin zur Humangenetik und schauen, ob ein genetisch bedingtes erhöhtes Krebsrisiko vorliegt. Falls ja, besprechen wir, welche Alternativen zur HRT infrage kommen.

Einige Internetanbieter werben mit „natürlichen“ Nahrungsergänzungsmitteln gegen Wechseljahresbeschwerden. Vor allem beim Thema Gewichtsverlust sollen diese helfen. Wie steht ihr dazu?

Dörte: Wir raten unbedingt davon ab, Produkte ohne ärztliche Beratung aus Internetshops zu bestellen. Die Hersteller können dort alles Mögliche hineinmischen – unter Umständen schadet ihr eurer Gesundheit sogar!

Die hormonellen Veränderungen können sich auch auf unser Sexleben auswirken. Was ratet ihr den Frauen?

Marajke: Das ist ein sehr intimes Thema. Viele Frauen denken, sie seien damit allein – und sie müssten „funktionieren“. Deshalb freuen wir uns immer, wenn das Thema offen angesprochen wird.

Insbesondere der Östrogenmangel kann zu Scheidentrockenheit führen – dann tut Sex weh, was natürlich die Lust mindert. Salben und Zäpfchen können lokal helfen, wenn man Östrogen nicht in Tablettenform einnehmen möchte – oder als Brustkrebspatientin nicht darf.

Auch ein Testosteronmangel kann die Libido beeinflussen – da können wir ebenfalls etwas tun. Nicht zuletzt sind die Faktoren Stress und Erschöpfung für die allermeisten Frauen ein großer „Lustkiller“ – die ja in dieser Lebensphase, u.a. auch durch die hormonellen Veränderungen, teils massiv sind.

Dörte: Wichtig ist erst mal zu schauen: Bin ich diejenige, der etwas fehlt? Oder erzeugt mein Partner Druck? Und ehrlich zu hinterfragen:

Welche Bedürfnisse habe ich? Was hemmt meine Lust? Was könnte sie fördern? Leide ich?

Einer Frau, die leidet, würde ich eine Hormontherapie auf jeden Fall anbieten.

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Foto: Anne Schwerin

Und zum Schluss die wichtigste Frage für alle Frauen, die jetzt unbedingt noch mehr erfahren möchten: Nehmt ihr in eurer Leipziger Praxis denn noch Patientinnen an?

Marajke: Ja, machen wir. Die Frauen können sich gern bei uns melden!

Schöne Bilder und Texte – bei Anne gibt’s beides aus einer Hand. Als freie Redakteurin und Fotografin ist es ihr Job, spannende Themen aufzuspüren und gekonnt in Szene zu setzen. Das größte Projekt von allen wartet indes ungeduldig zuhause auf sie. Seit 2019 ist Anne stolze Mami eines kleinen, süßen Jungen – und das hat ihr Leben ordentlich durcheinander gewirbelt. Auf LAYERS berichtet sie von den Höhen und Tiefen ihres neuen Alltags.

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