Krimis unterm Tannenbaum: Nervenkitzel statt Zuckerguss

Wer liebt sie nicht, die Vorweihnachtszeit? Plätzchen backen – oder, wie bei mir, eher Plätzchen essen –, Weihnachtsmusik nonstop, Baum kaufen, schmücken, Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Das volle Programm eben. Mitten drin: Ich, unterwegs zu Kundenterminen, im Auto, während mir Mariah Carey und Wham! den ganzen Tag in Dauerschleife die Ohren vollträllern. Ein Grinch bin ich nicht – eher ein Krimihase, der die besinnliche Zeit gern mit einer Prise Nervenkitzel würzt.

Gerade in der besinnlichen Zeit liebe ich ein bisschen Mord und Mysterium als Gegenbewegung zum Zuckerrausch.

Nichts gegen Kitsch – liebe ich manchmal ein bisschen zu sehr! – aber ein bisschen Kontrast schadet nie. Wir wollen ja nicht zu tief in die gemütliche, angetrunkene Glühwein-Bubble abtauchen, sonst wird das Auftauchen zu beschwerlich. So: Lametta geworfen, Kerzen brennen – jetzt tauchen wir ein in die schaurig-spannenden Stories dieser angeblich stillen Nacht.

Linus Geschke – Der Trailer

Vor 15 Jahren verschwand die Studentin Lisa Martin spurlos auf einem Campingplatz in den Ardennen – und der Fall verschwand gleich mit in den Akten. Bis Frieda Stahnke auftaucht. Suspendierte Kommissarin, hartnäckig und mit einem untrüglichen Gespür dafür, dass manche Fälle nicht einfach ruhen dürfen. Eingeladen zu einem Podcast über den alten Fall merkt sie schnell: Hier stimmt so einiges nicht. Also nimmt sie – Suspendierung und Podcast hin oder her – die Ermittlungen wieder auf. Dabei stößt sie auf Wout Meertens, Barbesitzer mit dunkler Vergangenheit und der Fähigkeit, mehr zu wissen, als er preisgeben möchte. Widerwillig arbeiten die beiden zusammen, tauchen in alte Geheimnisse ein und liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Ardennen, Mooren und längst vergessenen Spuren.

Der Trailer ist ein packender, stimmungsvoller Thriller, der ganz ohne Schnickschnack auskommt – genau das richtige Gegenprogramm zu Glühwein, Plätzchen und Weihnachtsmusik.

Besonders beeindruckt hat mich, wie überraschend und clever die Geschichte erzählt ist: Das Ende ist absolut nicht vorhersehbar und hat mich in nur zwei Tagen komplett durch das Buch gezogen. Ich war sprachlos und wollte sofort wissen, wie es weitergeht – denn haltet euch fest: Das Ende bleibt offen. Aber keine Sorge, für alle, die genauso neugierig sind wie ich: Am 30.01.2026 könnt ihr bei eurem (lokalen!) Buchhändler des Vertrauens bereits die Fortsetzung in Händen halten. Meine Vorbestellung ist jedenfalls schon raus.

Alexander Rupflin – Protokoll eines Verschwindens

Eine weitere Leidenschaft von mir ist neben dem Lesen das Podcast-Hören. Letztes Jahr habe ich sage und schreibe 13.621 Minuten Podcasts gesammelt. Kein Scherz. Ganz oben auf der Liste: Zeit Verbrechen. Kein Wunder also, dass mir Alexander Rupflin dort als Autor bekannt war. Umso besser, dass er jetzt ein Buch geschrieben hat – über einen besonders schaurigen Fall. Auf keinen Fall etwas für Zartbesaitete. Beruht auf wahren Begebenheiten, und die Abscheulichkeit der Tat lässt einen immer wieder schlucken. Also: Macht euch auf Gänsehautmomente gefasst. Worum geht es? Gabriel zieht aus Brasilien nach Deutschland zu seiner Schwester Isabella.

Anfangs scheint alles gut zu laufen: Job gefunden, Anschluss gefunden, vielleicht sogar Liebe.

Doch dann verschwindet Gabriel spurlos – einfach weg, wie ein Socken im Trockner. Für Isabella beginnt eine verzweifelte Suche, mitten in einem Land, das ihr zunehmend fremd wird. Parallel lebt der Pfleger Fabio sein Leben weiter, als sei alles normal. Bis er schließlich entdeckt, dass in seinem Gästezimmer seit Monaten eine Leiche verwest. Fabio beteuert seine Unschuld, doch die Wahrheit ist komplizierter – und schauriger – als man denken würde. Rupflin erzählt den Fall aus mehreren Perspektiven: Opfer, Familie, Umfeld, Täter. Keine übertriebene HollywoodDrama-Kulisse, sondern harte Realität, die einen manchmal schlucken lässt. Protokoll eines Verschwindens ist ein Roman, der Gänsehaut verursacht.

An manchen Stellen fragt man sich, ob das wirklich wahr sein kann. Gleichzeitig werden einem die menschlichen Abgründe bewusst.

Das Storytelling ist großartig, und obwohl die Grausamkeit teilweise schwer zu ertragen ist, lässt sich das Buch sehr gut lesen. Ein spannender, beklemmender Thriller, der lange nachhallt – genau die richtige Mischung aus Nervenkitzel und Reflexion.

Sarah Bestgen – Safe Space

Um derlei Taten wirklich zu verstehen, muss man in die Psyche eines Täters eintauchen. Und „eintauchen“ ist in dieser Kolumne sowieso ein beliebtes Spiel – wir springen ziemlich oft tief hinein. Genau das tut Sarah Bestgen in ihrem Roman Safe Space: Sie nimmt uns mit hinter die Gefängnismauern, in die Abgründe von Verbrechen und menschlicher Psyche, und lässt uns hautnah miterleben, wie gefährlich Wahrheit und Lüge manchmal nebeneinander liegen. Die Hauptfigur Anna Salomon ist forensische Psychologin, klug, ehrgeizig und auf der Jagd nach Antworten. Vor Jahren verschwand ihre Schwester – vielleicht Opfer eines Verbrechens, die Leiche nie gefunden. Jetzt bewirbt sich Anna auf eine Stelle in der JVA Weyer, um den Fall endlich aufzuklären.

Was harmlos klingt, entpuppt sich schnell als Albtraum: Häftlinge, Geheimnisse, Lügen – und ein geschlossenes System, in dem Anna nach Wahrheit sucht.

Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Täter und Opfer, Realität und Täuschung. Die Story wechselt geschickt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Annas innerem Kampf und den Ereignissen hinter Gittern. Stück für Stück deckt sie dunkle Wahrheiten auf – und je weiter sie gräbt, desto klarer wird: Dieser Safe Space ist alles andere als sicher. Safe Space hat mich ordentlich schlucken lassen – manchmal vor Schock, manchmal vor Fassungslosigkeit. Bestgen spielt gekonnt mit Psychospannung, Zweifeln und dunklen Abgründen, dass man das Buch einfach nicht aus der Hand legen kann. Wer also Lust auf Gänsehaut statt Actiongeballer hat: Safe Space ist euer ThrillerBlockbuster.

So, nach all dem Nervenkitzel und den schaurigen Abgründen wird es Zeit, euch zum Schluss wieder sanft zurück ins Land der Lebenden zu holen. Ihr erinnert euch: Ursprünglich waren wir ja mal bei Weihnachten, dieser besinnlichen Zeit … naja, ihr wisst schon. Deshalb ist der letzte Tipp diesmal nicht ganz so düster, sondern eher eine Mischung aus Familiensaga und Krimi. Um welches Buch handelt es sich?

Der Gott des Waldes – Liz Moore

Nach all dem Nervenkitzel geht es zum Schluss noch einmal in den Wald – aber keine Sorge, diesmal nicht ganz so schaurig. Im Zentrum steht die Familie van Laars und ihr Ferienlager in den Adirondacks. Alles läuft idyllisch, bis die 13-jährige Barbara verschwindet. Klingt schlimm? Ist es. Aber schlimmer: 14 Jahre zuvor verschwand bereits ihr Bruder Bear im selben Camp – und tauchte nie wieder auf. Ja, man könnte sagen, dieses Camp hat ein kleines Problem mit „Kinderverschwinden“. Liz Moore erzählt die Geschichte aus mehreren Perspektiven: Familienmitglieder, Betreuern, und Ermittlern.

So entsteht ein Puzzle aus alten Wunden, Geheimnissen und Machtspielen – mit Spannung, Drama und einem Hauch Mystik.

Der Gott des Waldes ist nicht nur ein Krimi, sondern eine Krimi-Familiensaga mit Herz. Perfekt für alle, die nach Thrillern Lust auf Spannung wollen, aber trotzdem ein bisschen Emotion, Waldluft und Familiendrama genießen möchten.

Mit diesen Tipps solltet ihr bestens gerüstet sein für spannende Lesestunden unterm Weihnachtsbaum – Plätzchen, Glühwein und Gänsehaut inklusive. Keine Sorge, wir hören uns im neuen Jahr wieder, dann mit frischen Schmökertipps, ein bisschen Nervenkitzel und natürlich jeder Menge Lesespaß.

Dörte verdient ihr Geld mit Mode – ihr überforderter Kleiderschrank kann ein Lied davon singen. Nach Feierabend flüchtet sie in Geschichten, die ihr den Tag retten. Bücher und Klamotten sind ihre liebsten überflüssigen Schätze. Ihr Traum? Eine Farm voller Golden Retriever und Dackel, wo sie kein Wecker weckt, sondern fröhliches Hundegebell. Bis dahin genießt sie Cappuccino mit Hafermilch (versteht sich) in ihrem Lieblingscafé und träumt sich Seite für Seite näher ans Ziel.

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