Selbst & Ständig – Interview mit Geraldine und Sarah von AWAKE Communications
2018: Sarah Andersen und Geraldine Kahl arbeiten beide in Festanstellung in der Kommunikationsbranche als sie fast zeitgleich ihre ersten Kinder bekommen. Während der Elternzeit machen sie sich – wie viele junge Mamas und Papas – ausführlich Gedanken über ihre Zukunft und schnell wird klar: So wie bisher soll es nicht weitergehen. Die Lust auf ein eigenes Projekt ist schon lange da, nun wollen sie gemeinsam nicht nur ins Mamasein, sondern auch in die Selbstständigkeit starten.
Fast forward: Sieben Jahre später sind Geraldine und Sarah nicht nur beide erneut Mama geworden, sondern mit AWAKE Communications auch ein erfolgreiches PR-Beratungsduo für nachhaltige Brands, NGOs und Personalities.
Im Interview erfahrt ihr, weshalb sie die emotionale Komponente bei der Gründung unterschätzt haben, wie Rückschläge sie motivieren und warum eine 30 Stunden Woche für Eltern für mehr Gleichberechtigung sorgen könnte. Außerdem verraten die beiden, welche Kriterien ihre KundInnen in Sachen Nachhaltigkeit erfüllen müssen und weshalb ihre Mission sie immer wieder auf’s Neue motiviert. Viel Vergnügen beim Lesen!
Geraldine, Sarah: Als was und seit wann arbeitet ihr selbstständig?
Geraldine: Wir haben 2018 aus der Elternzeit heraus unsere Kommunikationsberatung AWAKE Communications gegründet. AWAKE berät von Anfang an nachhaltige Fashion- und Lifestylebrands, aber mittlerweile auch NGOs und Personalities in Sachen Außenkommunikation. Dabei geht es von klassischer Pressearbeit über strategische Markenberatung bis zu Influencer Marketing und Events.
Wann stand für euch fest, dass ihr euch selbstständig macht und wer oder
was hat euch dabei geholfen diese Entscheidung zu treffen und es
durchzuziehen?
Geraldine: Wir haben uns in unserer gemeinsamen Elternzeit (unsere ersten Kinder sind nur einen Monat auseinander) sehr intensiv über unsere berufliche Zukunft ausgetauscht. Sarah wollte sich schon länger selbständig machen und dann hatte ich plötzlich die Idee einer Kommunikationsagentur für nachhaltige Lifestylebrands. Das gab es 2018 noch überhaupt nicht. Die Nachhaltigkeitswelle kam da gerade erst ins Rollen.
Mein Mann war selbständig und hat uns gerade in der Gründungsphase sehr viel geholfen, vor allem, was den bürokratischen Prozess der Gründung einer GmbH angeht. Da wusste er Bescheid. Das war natürlich super.
Zusätzlich haben wir uns aber auch Unterstützung von einer Stiftung für Unternehmensgründungen geholt, die uns beim Businessplan und der Finanzplanung unterstützt hat. Das Feedback war von allen Seiten, auch von unseren FreundInnen, durchweg nur positiv. Dann haben wir es gewagt – und saßen plötzlich vor dem Notar.
Wie hat euer Umfeld darauf reagiert?
Geraldine: Bei mir durchweg positiv – nur meine Schwiegereltern waren skeptisch wie das jetzt gehen soll mit zwei selbständigen Eltern und einem einjährigen Kind…
Sarah: Viele meiner Freundinnen haben nur darauf gewartet, dass ich was Eigenes mache und fanden die Business-Idee richtig gut. Da ich viele Freundinnen aus der Branche habe, hat mich das nur noch mehr bestätigt.
Gibt es Tage, an denen ihr eure Entscheidung bereut?
Sarah: Ich habe die Entscheidung, mich selbstständig zu machen, nie wirklich bereut. Aber natürlich gibt es Momente, in denen man ins Grübeln kommt. Besonders dann, wenn große Fragen anstehen. 2024 war so ein Moment: Wir haben uns ganz bewusst dagegen entschieden, klassisch als Agentur weiterzuwachsen, und uns stattdessen als Beratungsduo neu aufgestellt. Es ging dabei vor allem um die Frage, mit wem und wie wir arbeiten wollen – und darum, die Freude an unserer Arbeit wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Das war kein leichter Prozess, aber am Ende stand erneut die Entscheidung für die Selbstständigkeit – und für die Freiheit, genau die Projekte zu betreuen, für die wir wirklich brennen. Geld zu verdienen mit etwas, das Sinn stiftet und Spaß macht, ohne dabei ständig über die Wirtschaftlichkeit eines Agenturapparats nachdenken zu müssen – das fühlt sich für uns genau richtig an.
Ihr habt eine PR-Beratung gegründet, die ausschließlich nachhaltige Brands
vertritt. Welche Kriterien müssen eure KundInnen erfüllen?
Geraldine: Wir fragen zu Beginn der Zusammenarbeit in einem Nachhaltigkeits-Q&A einmal alle Produktionsschritte und Prozesse im Unternehmen auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit ab. So bekommen wir einen guten Überblick. Nur wer in unseren Augen danach noch nachhaltig ist bzw. sich auf einem nachvollziehbaren Weg zu mehr Nachhaltigkeit befindet, kommt als AWAKE Kunde infrage.
Warum liegt euch das Thema Nachhaltigkeit so am Herzen und wie integriert
ihr es abseits eures Kundenschwerpunkts in eure Arbeit?
Geraldine: Wir sehen ehrlich gesagt keinen anderen Weg in die Zukunft als den in Richtung einer nachhaltigen, sprich grünen, diversen und inklusiven Gesellschaft. Wie soll es sonst gehen?
Die Frage ist doch: Wie wollen wir
in Zukunft leben? Was für eine Welt wünschen wir uns für unsere Kinder?
Die einzige Antwort auf diese Frage kann für mich und uns sein: eine faire, nachhaltige Gesellschaft, die Natur und Mensch höchsten Respekt zollt indem sie Ressourcen und Bedürfnisse achtet.
Was macht ihr, um motiviert zu bleiben, auch, wenn es mal nicht so läuft?
Sarah: Unsere größte Motivation ist die Kombination aus unserer Mission und der Freude an unserer Arbeit. Wir wollen mit dem, was wir tun, zu nachhaltigerem Konsum anregen und dazu beitragen, dass die richtigen Themen und Menschen gesehen werden. Das treibt uns an.
Aber natürlich ist Motivation kein Dauerfeuer. Es gibt Phasen, in denen es auch mal hakt oder ruhiger läuft – das gehört einfach dazu. Wir haben gelernt, realistisch zu planen und unsere Strategie regelmäßig anzupassen. Alle sechs Monate schauen wir gemeinsam drauf: Was funktioniert gut, wo müssen wir etwas verändern? Wir wissen, dass es nicht immer nur bergauf geht – manchmal geht’s eben auch einen Schritt zurück. Aber dann geht’s eben zwei nach vorne.
Was uns dabei hilft, ist unsere Agilität. Wir passen unser Business an unsere Bedürfnisse und an den Markt an – nicht andersherum. Und ganz ehrlich: Diese Freiheit ist unbezahlbar. Ich mag außerdem die Mischung aus festen Kund:innen, die für Stabilität sorgen, und projektbasierten Aufträgen, die frischen Wind bringen. Das hält uns wach, neugierig und motiviert.
Und wenn wir doch mal einen Durchhänger haben, hilft uns der Austausch enorm – und unser Humor. Geraldine und ich können dann total albern werden: Wir tanzen, schütteln uns, spacken rum und lachen Tränen. Danach ist die Energie wieder da, und wir wissen, warum wir das alles machen. Es tut einfach gut, gemeinsam ernsthaft an wichtigen Themen zu arbeiten – aber dabei nie den Spaß zu verlieren.
Wie geht ihr mit Rückschlägen um?
Geraldine: Im letzten Jahr hat sich bei uns ja viel geändert. Und das nicht zuletzt wegen einiger Rückschläge. Wir haben den Showroom aufgeben müssen und Angestellte entlassen. Das tat erstmal weh – und wir standen vor vielen Fragen. Wie sollte es weitergehen? Wie Sarah schon erzählt hat, haben wir uns dann aktiv dazu entschlossen im Duo weiterzuarbeiten und auch die Vorteile darin zu sehen. Nämlich die Freiheiten und Spielräume, die sich daraus letztlich ergeben. Mittlerweile haben wir zum Beispiel auch NGOs und Personalities unter Vertrag, die wir in Sachen PR, Influencer Marketing, Events und Personal Brand beraten. Daran haben wir zwar schon länger gearbeitet, aber jetzt trägt es endlich Früchte. Ich glaube, dass liegt auch daran, dass wir dafür in 2025 einfach mehr Raum geschaffen haben.
Welche Aufgaben/welchen Bereich habt ihr unterschätzt oder vorher gar nicht
auf dem Schirm gehabt?
Sarah: Ich denke wir waren von Anfang an sehr gut aufgeklärt, da wir einen Gründungsberater an unserer Seite hatten. In der Praxis sieht das dann hier und da auch mal anders aus. Ich denke die emotionale Komponente ist hier besonders nennenswert. Kunden kommen und gehen. That’s Business! Wir machen Kommunikation und Strategie für nachhaltige Unternehmen, NGOs und Personalities mit einer Mission. Das machen wir, weil uns daran etwas liegt.
Daher geben wir immer sehr viel und
gehen enge Verbindungen zu unseren Kunden ein. Aus dem Grund haben wir die
ersten Kündigungen von Kunden nicht so gut weggesteckt.
Auch Personal kann hier genannt werden. Wir waren immer ein kleines Team, eine Family. Und wenn da mal jemand geht, tut es weh. Nach mittlerweile 7 Jahren AWAKE haben wir aber gelernt damit umzugehen. Wir sind stolz darauf mit Herzblut dabei zu sein und haben auch nicht vor das zu ändern.
Wie kümmert ihr euch um eure Altersvorsorge und wie geht ihr damit um, wenn ihr mal krank seid und nicht arbeiten könnt?
Geraldine: Krank sind wir eigentlich so gut wie nie. Haha. Das stimmt natürlich nicht, wir sind öfters mal krank, vor allem da wir kleine Kinder in Kita und Grundschule haben. Aber hier trifft dann doch das Sprichwort selbst und ständig irgendwie zu. Denn auch, wenn wir eine Erkältung haben, arbeiten wir aus dem Homeoffice und versuchen die wichtigsten To Dos zu erledigen.
Sarah: Ehrlich gesagt bin ich keine Finanzstrategin – aber ich kümmere mich natürlich um das Thema. Ich zahle zum Beispiel nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein, weil ich überzeugt bin, dass ich mein Geld an anderer Stelle sinnvoller und flexibler anlegen kann. Als Selbstständige habe ich da zum Glück Spielraum – und nutze ihn bewusst.
Ich setze auf verschiedene ETFs, habe ein Tagesgeldkonto für kurzfristige Rücklagen und in meiner Familie gibt es einige Immobilien, die langfristig ebenfalls zur Altersvorsorge beitragen.
Ich glaube, es geht gar nicht darum, alles perfekt zu planen, sondern sich regelmäßig damit zu beschäftigen und Entscheidungen zu treffen, die wirklich zu einem passen.
Für mich heißt das: lieber breit aufgestellt sein, ein gutes Sicherheitsgefühl haben – und trotzdem genug Freiheit, um mein Leben so zu gestalten, wie es sich richtig anfühlt.
Wie bringt ihr Arbeit und Privatleben unter einen Hut? Ihr habt ja beide auch Familien, wie sieht da euer Zeitmanagement aus?
Geraldine: Ganz ehrlich, das ist ein andauernder Struggle. Gerade die letzten Wochen waren bei mir wider durch viel Krankheit bestimmt. Da gehen wir schon mal auf dem Zahnfleisch. Und alleine geht das schon überhaupt nicht.
Wir haben beide starke Partner an
unserer Seite, die aktive Papas sind und einen großen Teil der Care- und
Hausarbeit übernehmen.
Zudem haben wir auch anderweitig Unterstützung in Form von Großeltern, Babysittern und Haushaltshilfen, die uns supporten. Wir arbeiten beide keine 40 Stunden Woche und können unsere Stunden flexibel gestalten. Das hilft natürlich enorm. Aber, seien wir ehrlich, es ist und bleibt ein Balanceakt und wir müssen immer im Auge behalten, dass wir nicht auf der Strecke bleiben.
Selbstständig arbeiten und Mama sein: Was waren die größten Herausforderungen bisher? Was müsste sich eurer Meinung nach strukturell ändern, damit sich mehr Mütter trauen, selbstbestimmt zu arbeiten.
Geraldine: Das Zeitmanagement ist und bleibt unsere größte Herausforderung. Elternsein und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen, ist in den gegebenen Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft ein andauernder Kampf.
Eltern, die selbstbestimmt und in
verantwortungsvollen Positionen arbeiten wollen, werden meist niemandem mehr
gerecht. Am wenigstens sich selber.
Das finde ich schade. Und ich frage mich: muss es wirklich so sein? Wie wäre es, wenn Eltern generell wenigerer erwerbsarbeiten? Ich könnte mir zum Beispiel eine „Vollzeitwoche“ von 30 Stunden für alle arbeitenden Eltern vorstellen. Schließlich kommen diese auch einer gesellschaftlichen Verantwortung nach, indem sie die kommende Generation großziehen. Und diese Aufgabe braucht Zeit und Zuwendung.
Eine 30 Stunden Woche – ohne
finanzielle Einbußen – würde Väter und Mütter gleichermaßen entlasten und auch
zu mehr Gleichberechtigung in der Elternbeziehung führen.
Frauen wären aus der Teilzeitfalle raus und Väter hätten endlich die Möglichkeit sich ebenso stark für Carearbeit einzubringen wie ihre Frauen. Außerdem halte ich eine paritätisch aufgeteilte Elternzeit für Frauen und Männer für sehr wichtig. Hier wird nämlich der Grundstein für eine gleichberechtigte Elternschaft gelegt.
Habt ihr ein Motto oder ein Mantra für eure selbstständige Arbeit?
Geraldine: Step by Step. Im Sinne von: einen Schritt nach dem anderen tun und sich auf dem Weg die Zeit geben, die es braucht.
Sarah: „Step by Step“ – kann ich nur zustimmen. Ohne diesen Ansatz würde ich wahrscheinlich viel zu oft zehn Schritte auf einmal machen wollen.
Mein persönliches Pendant dazu ist wohl eher „YOLO – you only live once.“ Ich will Spaß haben, geilen Scheiß machen und das mit Menschen und Brands, die genauso ticken. Für mich gehört beides zusammen: die Geduld, Dinge wachsen zu lassen – und die Lust, sie mit voller Energie und Freude anzugehen. Wenn diese Balance stimmt, bin ich in meinem Element.
Welche Tipps habt ihr an alle, die auch überlegen, sich selbstständig zu
machen?
Geraldine: Macht einen Businessplan mit allem Drum und Dran und überprüft eure Idee auf Herz und Nieren. Holt euch professionellen Support, lasst euch beraten. Fragt eure Familie und Freunde, was sie von der Idee halten. Und überlegt wieviel Zeit ihr investieren könnt oder wollt, um eure Businessidee ins Rollen zu bringen. Damit ist ein guter Grundstein gelegt.
Vielen Dank für eure spannenden Antworten und weiterhin alles Gute für euch, Geraldine und Sarah!
Auf der Website von AWAKE Communications erfahrt ihr noch mehr über Sarahs und Geraldines Mission, KundInnen und Leistungen. Für noch mehr Einblicke findet ihr sie ebenfalls auf Instagram.







