Verliebt in Budapest

Anne Schwerin über ihren Kurztrip

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Ja, ich gebe es zu, ich bin ein bisschen verknallt. Und wie immer ist es genau in einem Moment passiert, in dem ich gar nicht damit gerechnet habe. Anfang Mai erzählte ich noch einem Bekannten bei einem Business-Event, dass ich dieses Jahr wahnsinnig gern nach Osteuropa reisen würde. Und weil das Leben manchmal eben doch ein Wunschkonzert ist, flatterte nur eine Woche später eine Einladung nach Budapest in mein E-Mail-Postfach. Das Schöne an meiner Arbeit als selbständige Texterin und Fotografin ist, dass ich solche Möglichkeiten auch einfach mal spontan wahrnehmen kann. Wenige Tage später saß ich also schon im Zug.

Auf dem Landweg nach Budapest zu reisen, ist etwas, das ich auf jeden Fall empfehlen kann. Ein ziemlich altmodisch anmutender EuroCity fährt für 35 Euro von Dresden direkt in die ungarische Hauptstadt durch und ich war neugierig auf die Landschaft und die Menschen, die mir während der Fahrt begegnen würden. Nach etwa 10 Stunden und interessanten Gesprächen mit Studenten aus Prag und Bratislava kam ich 18.30 Uhr bei 25 Grad und Sonnenschein am Budapester Keleti-Bahnhof an. Ein schwedischer Freund, mit dem ich mich dort verabredet hatte, holte mich ab und brachte mich wohlbehalten ins Hotel.

Wie sich schnell herausstellte, hatten wir genau die richtige Wahl getroffen, was unsere Unterkunft betraf. Das Hotel lag in der Nähe des Calvin-Platzes nur drei Straßen von der wunderbaren Donau und dem bewaldeten Gellertberg entfernt und – auch nicht unwichtig – nur zwei Blöcke abseits der beliebtesten Shopping-Meile der Stadt!

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Bevor ich am nächsten Tag die Stadt entdecken konnte, war jetzt aber erstmal Ausruhen und gemütlich Essengehen angesagt. Da ich ziemlich anspruchsvoll sein kann, was das betrifft, war ich vor meiner Reise schon ein bisschen besorgt: Würde es Speisekarten auf Englisch geben, ist alles sauber und hübsch, wie ich es gewöhnt bin und würde mein Magen die fremden Speisen vertragen? – Ich merkte schnell, dass ich mir ganz falsche Vorstellungen von meinem Reiseziel gemacht hatte!

Tatsächlich genießt Budapest bereits seit DDR-Zeiten den Ruf, eine der schönsten, reichsten und weltoffensten Städte Osteuropas zu sein. Und das absolut zu Recht! Besonders in der Altstadt musste ich immer wieder an Paris denken. Während wir durch die idyllischen Alleen und historischen Gassen flanierten, fiel es richtig schwer, sich für eines der vielen süßen Cafés und schicken Restaurants zu entscheiden. Zum Glück warten am Eingang fast jedes Lokals charmante Kellner, die geduldig erklären, welche Speisen vegetarisch sind oder welche Spezialitäten man unbedingt probieren sollte. Besonders hoch im Kurs stehen natürlich Paprika und der Palatschinken, also Eierkuchen, in allen möglichen Variationen. Für 30 Euro bekommt man auch zu zweit ein leckeres Menü in guter Qualität inklusive Getränken.

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Nach einer ruhigen Nacht und einem frischen grünen Tee ging es am nächsten Morgen in die Stadt. Was Budapest so einmalig macht, ist, dass Glanz und Verfall, Geschichte und Gegenwart hier immer ganz nah bei einander liegen. Besonders stark merkt man das im jüdischen Viertel. Viele Häuser sind dort noch nicht renoviert und lassen das Grauen der Zeit des Ghettos, in dem bis 1945 etwa 100.000 Menschen eingesperrt waren, leise erahnen. Gleichzeitig gehört diese Ecke von Budapest heute zu den beliebtesten Szenevierteln der Stadt. Wer aufmerksam ist, entdeckt in den teils halb verfallenen Hinterhöfen Secondhandläden und Cafés. Wir haben z.B. die Szimpla besucht, eine „Ruinenbar“, die weltweit zu den drei schönsten ihrer Art zählen soll. Auf unserem Kulturprogramm standen außerdem die obligatorische Besichtigung der Nationalgalerie, für die allein man jedoch schon eine Woche einplanen könnte, ein Spaziergang auf den Gellertberg mit tollem Blick über die Stadt und eine Tour auf die Magareteninsel in der Donau, von der mir meine Mutter erzählt hatte. Während ihrer legendären Tramptouren durch das Osteuropa der 80er Jahre hatte sie hier quasi mitten im Zentrum illegal im Gebüsch gecampt und ich bin mir sicher, dass die sympathischen Budapester auch heute noch ein Auge zudrücken würden.

Nur wer sich ein wenig mit der politischen Situation in Ungarn beschäftigt, bekommt leider einen ganz anderen Eindruck: Ministerpräsident Viktor Orbàn und seine rechtskonservative Fidesz-Partei stehen immer wieder in der Kritik, Demokratie und Menschenrechte bewusst zu untergraben, Ungarn hat definitiv ein Antisemitismus-Problem und auch Frauenrechte werden teils selbst von Politikern mit Füßen getreten, wie uns Aktivisten an der Uni in Budapest berichteten. Erst kürzlich sprach sich der Premier zudem dafür aus, die Todesstrafe wieder einzuführen. – Probleme, von denen man als normaler Tourist an einem unbeschwerten Nachmittag auf der sonnigen Uferpromenade kaum etwas erahnt.

Dennoch hat mich Budapest, diese alte Stadt an der Donau, deren Lebensgefühl und Ästhetik sich tatsächlich am besten mit dem Wort bohème beschreiben ließen, in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. Ich träume gern viel herum, bevor ich eine Reise mache und bin manchmal enttäuscht, weil sich die Realität nicht mit meiner Phantasie messen kann. Hier jedoch wurden meine Vorstellungen weit übertroffen. Mach´s gut du Schöne, ich kann dir zwar nicht treu sein, aber ich werde wiederkommen!

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Schöne Bilder und Texte – bei Anne gibt’s beides aus einer Hand. Als freie Redakteurin und Fotografin ist es ihr Job, spannende Themen aufzuspüren und gekonnt in Szene zu setzen. Das größte Projekt von allen wartet indes ungeduldig zuhause auf sie. Seit 2019 ist Anne stolze Mami eines kleinen, süßen Jungen – und das hat ihr Leben ordentlich durcheinander gewirbelt. Auf LAYERS berichtet sie von den Höhen und Tiefen ihres neuen Alltags.

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